Das Generationenschiff
etwas ausgeben sollte, das ihm besser bekommen würde als diese Opernvorführung. Im medizinischen Zentrum fand er schließlich einen Schwerweltler-Arzt, der ihm erklärte, um was es in der Oper ging und warum ihn niemand dort sehen wollte.
»Und deshalb weiß ich, daß Sie, ganz gleich, was Sie behaupten …«
Lunzie unterbrach ihn mit einem Lachen. Sie betraten mit einem Pulk von medizinischem Personal der ersten Schicht den Lift, und Bias hielt den Mund, bis sie ihr Geschoß erreicht hatten. Er wollte etwas sagen, aber Lunzie brachte ihn mit einem Wink zum Schweigen.
»Bias, ich war selbst überrascht. Aber man wird nicht … Sie wissen schon. Prüfen Sie’s nach. Und außerdem«, sie sah ihn mit schiefem Kopf an, »gibt’s noch das Problem des Druckanzugs.«
Bias wurde puterrot. Sein Mund öffnete und schloß sich, als japste er nach Luft, aber es kam kein Wort heraus.
»Schon gut, Bias«, sagte sie und tätschelte ihm den Kopf wie einem nervösen kleinen Jungen, der gleich auf die Bühne mußte. »Ich bin über hundert Jahre alt, und ich bin nicht so alt geworden, weil ich ungewollte Schwangerschaften riskiere.«
Und bevor ihr unberechenbarer Humor mit ihr durchging, marschierte sie zügig durch den Korridor zu ihrem ersten Termin.
Aber Bias war nicht der einzige, der das Thema zur Sprache brachte.
»Ich habe gehört, daß Schwerweltler-Opern etwas Besonderes sind. Ganz anders …«, sagte Conigan. Sie grinste nicht einmal.
Lunzie gab sich gelassen. ›»Anders‹ ist kaum das richtige Wort, aber es könnte sein, daß Sie mehr gehört haben, als ich gesehen habe.«
»Oder gefühlt?«
»Also bitte. Ich bin vielleicht alt und vom vielen Kälteschlaf verschrumpelt, aber ich weiß, daß ich kein Kind von einem Schwerweltler haben will. Die Oper ist einer großen historischen Tragödie nachempfunden. Ich bin eine Außenseiterin, eine Beobachterin, und ich bin so vernünftig, daß ich es weiß.«
»Das ist wenigstens etwas. Aber ist sie wirklich so gut?«
»Die Musik schon. Unglaublich. Ich gebe ungern zu, daß ich von der Qualität überrascht war.«
Conigan schien zufrieden. Falls nicht, war sie immerhin so taktvoll und ließ Lunzie in Frieden. Unangenehmer waren ihr die seltsamen Blicke von den anderen Kollegen und von einem der Schwerweltler-Ärzte, mit denen sie zusammengearbeitet hatten. Sie konnte nicht behaupten, daß sie nichts für Zebara empfand. Selbst wenn es nicht so gewesen wäre, setzte ihre versuchsweise Zusammenarbeit voraus, daß sie sich als Freunde ausgaben. Sie fragte sich, ob es besser gewesen wäre, wenn sie eine stärkere emotionale Reaktion auf die Oper vorgetäuscht hätte.
In ihrem Hinterkopf, während des Arbeitstages von ihren vordergründigen Gedanken abgeschirmt, blieb die Frage nach dem Kälteschlaf stehen. Nicht noch einmal! wollte sie Zebara und jedem anderen entgegenschreien, der solche Pläne hegte. Ich würde Heber sterben. Aber das stimmte nicht. Genau genommen wollte sie nicht auf Diplo sterben, in den Händen des Sicherheitsdienstes oder in einem der hiesigen Gefängnisse. In Anbetracht der Kraft und Gesundheit, die sie durch ihren Auffrischungskurs in mentaler Disziplin neu hinzugewonnen hatte, wollte sie eigentlich nirgendwo sterben, jedenfalls nicht in nächster Zeit. Sie hatte noch ein Jahrhundert bei bester Gesundheit vor sich, wenn sie sich von Welten mit hoher Schwerkraft fernhielt. Und diese Zeit wollte sie genießen.
Der Ehrwürdige Meisteradept hatte gesagt, daß sie den Kälteschlaf vielleicht noch einmal brauchen würde. Sie hatte für diese Möglichkeit trainiert. Sie wußte, daß sie es schaffen konnte. Aber ich will nicht, jammerte eine Hälfte ihres Hirns der anderen zu. Sie verdrängte diesen Gedanken und hoffte, daß es nicht nötig sein würde. Sie und Zebara konnten sicher einen anderen Weg finden. In dieser Nacht erhielt sie keine Nachricht und holte dankbar den Schlaf nach, dessen sie dringend benötigte.
Der nächste Schritt in Zebaras Feldzug folgte zwei Tage später, als er sie einlud, den nächsten freien Tag mit ihm zu verbringen.
»Das Team soll sich zusammensetzen und eine Einschätzung vornehmen, was unsere Fortschritte angeht.« Lunzie rümpfe die Nase; sie hielt es für eine Zeitverschwendung. »Wenn ich mir mit Ihnen die Zeit vertreibe, bekomme ich Ärger mit meinen Kollegen.«
Sie hatte bereits Ärger mit ihren Kollegen, sah aber keinen Grund, Zebara davon zu erzählen. Und diese Art von Ärger würde den Eindruck erwecken,
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