Das Generationenschiff
daß der Plan seiner Auftraggeber glänzend funktionierte. Ein Leichtgewicht, das sich von seinesgleichen entfremdet, ist sicher leichter zu manipulieren. Sie schauderte und fragte sich, wer hier wen manipulierte.
Zebaras Bild zog eine Grimasse. »Wir haben so wenig Zeit, Lunzie. Ihr Forschungseinsatz ist schon halb vorbei. Wir wissen beide, daß Sie wahrscheinlich nie zurückkommen werden, und wenn doch, wäre ich nicht mehr hier.«
»Bias hat mich ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Zweck dieser medizinischen Mission nicht darin besteht, alte Liebespaare wieder zusammenzuführen.«
»Aus seiner Sicht nicht. Und ich respektiere Ihre professionelle Arbeit, Lunzie. Immer schon. Wir wissen, daß es keine richtige Beziehung sein würde. Sie müssen gehen, und ich werde nicht mehr lange leben. Aber ich möchte Sie wiedersehen, und nicht nur ein paar Minuten in der Öffentlichkeit.«
Lunzie zuckte zusammen, wenn sie an die Agenten dachte, die sicher lachen würden, wenn sie die Aufzeichnung dieses Gesprächs abhörten und an diese Stelle kamen. Das heißt, sofern Lunzie und Zebara nicht live abgehört wurden. Lunzie warf einen Blick auf ihren Terminkalender an der Wand. Nur ein freier Tag nach diesem. Die Zeit war ihnen durch die Finger geronnen, und selbst wenn sie nicht auch noch das Problem mit Zebara und ihren verdeckten Ermittlungen gehabt hätte, wäre sie überrascht gewesen, wie kurz ein dreißigtägiger Einsatz sein konnte.
»Bitte«, unterbrach Zebara ihre Gedanken. War er wirklich so versessen auf sie? Oder gab es einen anderen Grund, warum er sie unbedingt jetzt und nicht später treffen wollte? »Ich kann nicht warten.«
»Bias wird einen Wutanfall bekommen«, sagte Lunzie. Sein Gesicht entspannte sich, als habe sie ihm mehr gesagt, als sie sagen wollte. »Ich werde mit Tailler reden müssen. Ich verstehe nicht, warum Sie nicht bis zu meinem nächsten freien Tag warten können. Es sind nur acht Tage.«
»Danke, Lunzie. Ich werde jemanden schicken, der Sie gleich nach dem Frühstück abholt.«
»Aber worum geht’s denn?« Der Bildschirm wurde schwarz. Zebara hatte die Verbindung unterbrochen. Zum Teufel mit dem Kerl! Lunzie starrte finster auf den Bildschirm und überlegte, ob sie seinen Boten morgen früh nicht einfach ignorieren sollte. Aber das wäre vielleicht zu gefährlich. Was immer in seinem Kopf oder in den Köpfen seiner Auftraggeber vor sich ging, sie mußte mitspielen.
Als sie es ihm erzählte, seufzte Tailler schwer und stützte sich mit beiden Armen auf den Arbeitstisch.
»Wollen Sie Bias einen Schlag versetzen oder was? Ich dachte, Sie hätten verstanden. Zugegeben, er reagiert nicht ganz rational, aber das verpflichtet uns, ihn nicht ganz umzuhauen.«
Lunzie breitete die Hände aus. Wenn sich das ganze Team gegen sie wandte, verspielte sie jede Chance auf einen guten Posten nach der Mission. Und nach der Mission könntest du ein gefrorener Haufen totes Fleisch sein, gemahnte sie sich.
»Es tut mir leid«, sagte sie und meinte es sogar ernst. Diese aufrichtige Abneigung, andere zu verletzen, entging auch Tailler nicht. »Ich glaube, man hätte an mir die Auswirkungen eines längeren Kälteschlafs studieren sollen, statt mich mit Informationen über neuste Trends in der Medizin vollzustopfen und hier herauszuschicken. Aber man sagte mir, daß verzweifelt jemand gesucht werde, der über meine Erfahrungen verfügt. Vielleicht ist meine Reaktion auf Zebara teilweise dadurch zu erklären, obwohl ich glaube, daß niemand, der es nicht selbst durchgemacht hat, wirklich begreifen kann, wie es ist, wenn man aufwacht und feststellt, daß dreißig oder vierzig Jahre vergangen sind. Wußten Sie, daß ich eine Urururenkelin habe, die – was verstrichene Zeit angeht – älter ist als ich? Wir fühlen uns beide seltsam dabei. Zebara hat die Lunzie von damals gekannt. Aus meiner Sicht aber ist es dieselbe Lunzie, die ich heute bin. Doch er stirbt an Altersschwäche. Ich weiß, daß persönliche Gefühle die Mission nicht beeinträchtigen dürfen, aber in gewisser Hinsicht sind diese Gefühle von Bedeutung für meine Arbeit. Meine normale Lebensdauer, ohne Kälteschlaf, hätte zwölf bis vierzehn Jahrzehnte betragen, richtig?«
»Ja. Heutzutage vielleicht noch länger. Ich glaube, die Werte für Frauen mit Ihrer genetischen Veranlagung liegen bei fünfzehn oder sechzehn Jahrzehnten.«
Lunzie zuckte die Achseln. »Sehen Sie? Sogar die Lebenserwartung hat sich geändert, seit ich das letzte
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