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Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Johnson
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schon bald auf einer Handvoll Falter herum – trotz der Schmiere, die aus ihnen platzte, wurde sein Mund von den pelzigen Körpern ganz trocken, und die Flügel gaben einen scharfen chemischen Aspiringeschmack ab. Seit Texas war er nicht ein einziges Mal satt gewesen. Beide Hände voller Motten flohen Mongnan und er durch die Dunkelheit – trotz der leicht angeschmorten Flügel würden die Insekten sie eine weitere Woche am Leben erhalten.

GUTEN MORGEN, BÜRGER! Schart euch in den Wohnblocks und an den Fließbändern um die Lautsprecher und lauscht unseren Nachrichten: Die nordkoreanische Tischtennismannschaft hat ihre Gegner aus Somalia in zwei Sätzen glatt besiegt! Präsident Mugabe übersendet seine Glückwünsche zum heutigen Jahrestag der Gründung der Partei der Arbeit Koreas. Vergesst nicht, dass es unziemlich ist, sich auf die Rolltreppen zur U-Bahn zu setzen. Das Verteidigungsministerium möchte uns erneut daran erinnern, dass unsere U-Bahn-Tunnel, die am tiefsten gelegenen der Welt, der zivilen Verteidigung dienen, sollten die Amerikaner wieder überraschend angreifen. Hinsetzen verboten! Schon bald beginnt die Meeresalgenernte; da wird es Zeit, dass ihr eure Gläser und Krüge auskocht. Und schließlich haben wir wieder die große Freude, die beste nordkoreanische Kurzgeschichte des Jahres zu küren. Die Geschichte aus dem letzten Jahr, vom Leid, das uns von südkoreanischen Missionaren zugefügt wurde, war ein hundertprozentiger Erfolg. Die neue Geschichte verspricht noch großartiger zu werden – es ist eine wahre Geschichte von Liebe und Leid, von Treue und Tapferkeit, von der nie enden wollenden Hingabe des Geliebten Führers sogar an die niedrigsten Bürger unseres großen Landes. Leider ist es auch eine Geschichte voller Tragik. Doch es winkt Erlösung! Und Taekwondo! Bleibt in der Nähe eurer Lautsprecher, Bürger, damit ihr keine der täglichen Folgen verpasst.

AM NÄCHSTEN MORGEN schwamm mein Kopf von dem Beruhigungsmittel. Trotzdem eilte ich in die Abteilung 42, um nach Kommandant Ga zu sehen. Wie bei jeder gehörigen Tracht Prügel kam der wahre Schmerz am Tag danach. Verblüffenderweise hatte Ga die offene Fleischwunde über seinem Auge selbst zugenäht; wie er das ohne Nadel und Faden improvisiert hatte, war uns ein Rätsel. Wir mussten ihn nach seiner Methode fragen.
    Wir brachten Kommandant Ga in die Kantine, wo er sich vielleicht weniger bedroht fühlen würde. Die meisten Menschen gehen davon aus, dass ihnen an einem öffentlichen Ort nichts passieren kann. Die Praktikanten holten ihm Frühstück. Jujack machte ihm eine Schale Bibimbap zurecht, Q-Ki setzte Wasser für Cha auf. Keiner von uns hielt etwas von dem Namen »Q-Ki«. Er lief dem professionellen Anspruch zuwider, den wir in der Abteilung 42 zu vertreten suchten – etwas, was den Pubjok in ihren vierzig Jahre alten Anzügen aus Hamhŭng und den Krawatten mit Flecken vom Feuertopf peinlicherweise völlig abging. Doch seit die neue Operndiva ihre Initialen als Vornamen benutzte, machten ihr die ganzen jungen Frauen das nach. Pjöngjang kann in der Hinsicht schrecklich trendversessen sein. Q-Ki wehrte unsere Einwände damit ab, dass wir ja unsere Namen auch nicht nannten. Es beeindruckte sie gar nicht, als wir ihr erklärten, es handele sich um Vorschriften, die noch aus Kriegszeiten stammten. Damals wurden Häftlinge noch als mögliche Spione angesehen und nicht als Bürger, die ihren revolutionären Eifer eingebüßt hatten und in die Irre geraten waren. Sie glaubte dasnicht; wir allerdings auch nicht. Wie soll man sich in einem Umfeld einen Ruf aufbauen, wo keiner einen Namen hat außer den Praktikanten und den bemitleidenswerten alten Pensionären, die die gute alte Zeit wiederaufleben lassen wollen?
    Q-Ki versuchte, beim Frühstück ein Gespräch mit Kommandant Ga anzufangen.
    »Was meinen Sie, welche Kwans haben dieses Jahr Aussicht auf den Goldgurt?«, fragte sie.
    Kommandant Ga schlang sein Essen nur so hinunter. Wir hatten noch nie jemanden zu Gesicht bekommen, der es aus einem Gefängnisbergwerk herausgeschafft hatte, aber man brauchte ihm bloß beim Essen zuzugucken, um zu wissen, wie es im Straflager 33 zuging. Man stelle sich bloß einmal vor, es kommt einer von einem solchen Ort in Kommandant Gas schönes Haus am Hang des Taesong: Plötzlich gehört ihm dessen Blick auf Pjöngjang, dessen berühmter Reisweinkeller. Und natürlich seine Frau.
    Q-Ki versuchte noch einmal ihr Glück. »Eins der Mädchen in der

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