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Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Johnson
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dass Genosse Buc einen Ehering trug, aus Gold. Ich sagte Jujack, er solle ihm den abnehmen.
    Jujack schaute mich beklommen an, griff dann aber nach Bucs Hand und versuchte, den Ring abzustreifen.
    »Er sitzt zu fest«, sagte Jujack.
    »Hey«, sagte Genosse Buc. »Das ist das Einzige, was mir noch von ihnen bleibt, von meiner Frau und meinen Töchtern.«
    »Mach schon«, sagte ich zu Jujack. »Er braucht ihn nicht mehr.«
    Q-Ki hielt den Bolzenschneider hoch. »Den Ring krieg ich.«
    »Ich hasse euch«, sagte Genosse Buc. Er drehte ihn mit Gewalt vom Finger, sodass Haut daran hängenblieb, und dann hatte ich den Ring in der Tasche. Wir wandten uns zum Gehen.
    »Von mir erfahrt ihr kein Wort mehr!«, brüllte Genosse Buc uns hinterher. »Ihr habt keine Gewalt mehr über mich. Hört ihr? Jetzt bin ich frei! Ihr habt keine Gewalt mehr über mich! Hört ihr mich?«
    Nacheinander machten wir uns daran, die Sprossen hinaufzuklettern, die aus dem Sumpf nach oben führten. Man musste aufpassen, sie waren rutschig.
    »Elf Jahre«, schrie Genosse Buc, sodass seine Stimme vom nassen Beton widerhallte. »Elf Jahre lang war ich für die Beschaffung für alle Straflager zuständig. Die Sträflingsuniform gibt es in Kindergrößen, wusstet ihr das? Ich habe Tausende davon bestellt. Sogar Spitzhacken gibt es im Kleinformat. Habt ihr Kinder? In elf Jahren haben die Lagerärzte nicht einen Verband bestellt, und die Lagerköche rein gar nichts an Zutaten! Wir liefern ihnen nur Hirse und Salz, tonnenweise Hirse und Salz. Kein Gefängnis hat jemals ein Paar Schuhe angefordert oder ein einziges Stück Seife! Aber Transfusionsbeutel müssen sie sofort haben. Munition und Klingendraht brauchen sie bis morgen! Meine Familie war vorbereitet. Sie wussten, was zu tun ist. Seid ihr vorbereitet? Wüsstet ihr, was zu tun ist?«
    Ruhig und systematisch hangelten wir uns die verzinkten Sprossen hoch und versuchten, einen klaren Kopf zu bewahren. Die Praktikanten, die halten sich immer für unverwundbar, ist es nicht so? Q-Ki stieg mit ihrer Stirnlampe voran. Als sie anhielt und zu uns heruntersah, hielten wir auch inne. Wir schauten zu ihr hoch, geblendet von ihrem grellen Licht.
    Sie fragte: »Ryoktosan hat Republikflucht begangen?«
    Wir schwiegen. In der Stille hörten wir Genosse Buc unermüdlich weiter über gesteinigte und gehängte Kinder reden.
    Q-Ki stöhnte auf vor bitterer Enttäuschung. »Ryoktosan also auch«, sagte sie kopfschüttelnd. »Gibt es denn nur noch Schlappschwänze?«
    Dann sprangen zum Glück die Pumpen an und übertönten alles andere.

ALS KOMMANDANT GA zu Sun Moons Haus zurückkehrte, trug er die Westernpistole an der Hüfte. Bevor er an die Tür klopfen konnte, hatte Brando schon das ganze Haus über seine Ankunft informiert. Sun Moon öffnete ihm in einem einfachen Chosŏnot mit weißem Jeogori und einem hellgeblümten Chima . Es war das Kostüm des Bauernmädchens, das sie im Film Eine wahre Tochter des Vaterlands getragen hatte.
    An diesem Tag verbannte sie Ga nicht in den Tunnel. Er war bei der Arbeit gewesen, und jetzt war er zu Hause und wurde begrüßt wie jeder Ehemann, wenn er aus dem Büro nach Hause kommt. Der Sohn und die Tochter standen in ihren Schuluniformen stramm, obwohl sie gar nicht in der Schule gewesen waren. Seit seiner Ankunft hatte Sun Moon sie nicht aus den Augen gelassen. Er nannte das Mädchen Mädchen und den Jungen Junge , weil Sun Moon sich weigerte, ihm ihre Namen zu verraten.
    Die Tochter hielt ihm ein Holztablett hin. Darauf lag ein dampfendes Tuch, mit dem er sich den Staub von Gesicht, Nacken und Händen wischte. Auf dem Tablett des Jungen waren verschiedene Medaillen und Anstecknadeln versammelt, die sein Vater dort abgelegt hatte. Ga leerte die Taschen auf das Tablett aus – ein paar alte Won, U-Bahn-Fahrkarten, seinen Ministeriumsausweis – und durch die Vermischung dieser Dinge wurden die zwei Kommandanten Ga eins. Als eine Münze zu Boden fiel, zuckte der Junge erschrocken zusammen. Wenn der Geist von Kommandant Ga irgendwo herumspukte, dann hier, in der ängstlichen Haltung der Kinder, in der Bestrafung, mit der sie jederzeit zu rechnen schienen.
    Als Nächstes hielt ihm seine Frau einen Dobok wie einen Vorhang hin, damit er sich diskret vor ihnen ausziehen konnte. Als der Dobok zugebunden war, wandte sich Sun Moon an die Kinder.
    »Geht«, sagte sie. »Geht und übt auf euren Instrumenten.«
    Als sie weg waren, wartete sie schweigend auf die ersten Tonleitern, und als ihr die

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