Das geraubte Leben des Waisen Jun Do
Ende des Elektroschockers ins Wasser und drückte auf den Auslöser.
Genosse Buc bäumte sich auf, während sich der Nackte neben ihm auf die Seite rollte und seinen Darm in das schwarze Wasser entleerte.
»Hören Sie, uns gefällt das auch nicht«, sagten wir zu Buc. »Wenn wir erst mal das Sagen haben, machen wir den Laden hier dicht.«
»Oh, das ist ein toller Witz«, lachte Genosse Buc. »Ihr habt nicht mal das Sagen.«
»Woher haben Sie diese Narbe?«, fragten wir.
»Was, die hier?«, fragte er und zeigte auf seine Augenbraue.
Q-Ki wollte den Viehtreiber schon wieder in die Pfütze tauchen, aber wir hielten ihre Hand fest. Sie war neu, sie war eine Frau, und wir konnten verstehen, dass sie sich beweisen wollte – aber das war nicht unser Stil.
Wir wurden deutlicher: »Wie hat Ihnen Kommandant Ga diese Narbe beigebracht?«, fragten wir und bedeuteten Jujack, er solle seine Kette durchschneiden. »Geben Sie uns die Antwort, dann beantworten wir Ihnen eine beliebige Frage.«
»Eine Ja-oder-Nein-Frage«, fügte Q-Ki hinzu.
»Ja oder Nein?«, fragte Genosse Buc nach.
Das war eine kühne Aktion von Q-Ki, eine unkluge dazu, aber wir mussten geschlossen auftreten, also nickten wir alle. Jujack ächzte, und schließlich fielen die Ketten des braven Genossen ab.
Seine Hände wanderten sofort zum Gesicht, und er rieb sich die Augen. Wir gossen sauberes Wasser auf ein Taschentuch und gaben es ihm.
»Ich habe im selben Gebäude gearbeitet wie Kommandant Ga«, erzählte Buc. »Ich war für Beschaffung zuständig, also saß ich den ganzen Tag vor meinem grün flackernden Rechner und habe Sachen bestellt. Meistens aus China oder Vietnam. Ga hatte seinen hübschen Schreibtisch am Fenster. Gearbeitet hat er nicht. Das war, bevor seine Fehde gegen den Geliebten Führer losging, bevor Straflager 9 abbrannte. Damals hatte er keine Ahnung von Straflagern oder Bergwerken. Die Stelle war bloß eine Belohnung, weil er den Goldgurt gewonnen und in Japan gegen Kimura gekämpft hatte. Das war eine große Sache, nachdem Ryoktosan in Japan gegen Sakuraba gekämpft hatte und nicht zurückgekommen war. Ga brachte mir immer Listen von Dingen, die er haben wollte, DVDs, teuren Reiswein und solche Sachen.«
»Hat er Sie jemals gebeten, Obst zu bestellen?«
»Obst?«
»Vielleicht Pfirsiche? Wollte er mal Dosenpfirsiche haben?«
Buc schaute uns durchdringend an. »Nein, wieso?«
»Egal, erzählen Sie weiter.«
»Eines Tages war ich länger im Büro geblieben. Außer mir und Kommandant Ga war niemand mehr im zweiten Stock. Er trug oft einen weißen Kampfanzug mit Schwarzgurt, als wäre er im Dojo, immer kampfbereit. An dem Abend blätterte er Taekwondo-Zeitschriften aus Südkorea durch. Er las gern direkt vor unseren Augen illegale Zeitschriften und behauptete, er würde den Feind studieren. Allein zu wissen, dass es solche Zeitschriften gibt, kann einen ins Straflager 15 bringen, das Familiengefängnis Yodŏk. Ich habe oft Materialien für dieses Lager beschafft. Jedenfalls liegen in diesen Zeitschriften zusammengefaltete Poster von Kämpfern aus Seoul. Ga hielt eins hoch und betrachtete den Kämpfer, als er merkte, dass ich ihn beobachtete. Ich war vor ihm gewarnt worden, wurde also etwas nervös.«
Q-Ki unterbrach ihn. »War es ein Mann, der Sie gewarnt hat, oder eine Frau?«
»Männer«, antwortete Genosse Buc. »Da stand Kommandant Ga auf. Er hielt das Poster in der Hand. Er holte etwas aus seinem Schreibtisch und kam auf mich zu. Ich dachte, na gut, Prügel habe ich schon öfter eingesteckt, ich werd’s überleben. Ich hatte gehört, dass er einen nie wieder belästigt, wenn er einen einmal zusammengeschlagen hat. Er kam also auf mich zu. Er war berühmt für seine Selbstbeherrschung – beim Kämpfen zeigte er keinerlei Gefühle. Nur beim Dwit Chagi erlaubte er sich ein Lächeln, weil er dabei dem Gegner den Rücken zukehrt und ihn so zum Angriff herausfordert.
Genosse , sagte Ga in äußerst höhnischem Ton. Dann blieb er stehen und musterte mich von Kopf bis Fuß. Weil ich mich ›Genosse‹ nenne, denken die Leute, ich wollte mich einschleimen, aber ich habe einen Zwillingsbruder, und wie es Brauch ist, haben wir beide denselben Namen. Um uns auseinanderzuhalten, nannte unsere Mutter uns Genosse Buc und Bürger Buc. Die Leute fanden das witzig – mein Bruder heißt bis heute Bürger Buc.«
Dieses Detail hätten wir in seiner Akte bemerken müssen. Dass wir es übersehen hatten, war unser Fehler. Die meistenLeute
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