Das geraubte Leben des Waisen Jun Do
hassen Zwillinge wegen des Fortpflanzungszuschlags, den ihre Familien von der Regierung erhalten. Das erklärte einiges an Bucs Verhalten und hätte uns einen nützlichen Ansatzpunkt gegeben.
»Kommandant Ga hielt mir das Poster hin«, fuhr Buc fort. »Bloß ein junger Schwarzgurt mit einem Drachentattoo auf der Brust. Gefällt Ihnen das? fragte er. Interessiert Sie so was? Es klang, als meinte er, dass man sich mit der falschen Antwort verraten könnte, aber welche wäre das gewesen? Taekwondo ist ein uralter, ehrenhafter Sport , sagte ich. Aber ich muss nach Hause zu meiner Familie .
Alles, was sich im Leben zu lernen lohnt , sagte er, lernt man von seinen Feinden . Da bemerkte ich zum ersten Mal, dass er einen Dobok mitgebracht hatte. Den warf er mir zu. Er war klamm und roch streng nach Männerschweiß. Ich hatte gehört, dass er einen zusammenschlägt, wenn man sich weigert, gegen ihn zu kämpfen. Aber wenn man gegen ihn kämpft, macht er etwas noch viel Schlimmeres mit einem, etwas Unvorstellbares.
Ich sagte klipp und klar zu ihm: Ich will keinen Dobok anziehen .
Natürlich , sagte er. Das bleibt jedem selbst überlassen.
Ich sah ihn einfach nur an und suchte in seinen Augen nach einem Hinweis, was als Nächstes passieren würde.
Wir sind verwundbar , sagte er zu mir. Wir müssen immer bereit sein . Schauen wir mal, wie es um Ihre innere Stärke bestellt ist. Er knöpfte mein Hemd auf und zog es auseinander. Er hielt sein Ohr an meine Brust und boxte mich in die Seiten und den Rücken. Das wiederholte er mit meinem Bauch. Er schlug fest zu und sagte Sachen wie: Lunge frei, Nieren stark, Finger weg vom Alkohol . Dann sagte er, er müsse prüfen, ob bei mir alles symmetrisch ist. Mit einemkleinen Fotoapparat, so einem winzigen Ding, hat er ein Foto von meiner Symmetrie gemacht.«
Wir fragten Buc: »Hat Kommandant Ga den Film weitergekurbelt, oder war das Geräusch eines Motors zu hören, der den Film transportiert?«
»Nein«, sagte er.
»Kein Surren, gar nichts?«
»Es hat gepiept«, sagte Buc. »Dann sagte Kommandant Ga: Der Hauptantrieb des Ausländers ist die Aggression. Er sagte mir, dass ich lernen müsste, diese Aggression abzuwehren. Wer lernt, fremde Umtriebe äußerlich abzuwehren, ist auch darauf vorbereitet, sie innerlich abzuwehren , sagte er. Dann schilderte der Kommandant verschiedene Szenarien: Was würde ich tun, wenn die Amerikaner auf dem Dach landen und sich durch die Luftschächte abseilen? Und: Was würde ich tun, wenn ich mit einer japanischen Mann-Attacke konfrontiert wäre?
Einer Mann-Attacke?, fragte ich.
Er legte mir die Hand auf die Schulter, zog meinen Arm lang und griff nach meiner Hüfte. Einem homosexuellen Übergriff , sagte Ga, als würde er mich für blöd halten. Die Japaner sind berühmt dafür. In der Mandschurei haben die Japaner alles vergewaltigt: Männer, Frauen, die Pandas im Zoo. Er warf mich um, und ich schlug mit dem Kopf auf eine Schreibtischecke und zog mir eine Platzwunde zu. Das war‘s, so bin ich zu dieser Narbe gekommen. Und jetzt beantworten Sie mir meine Frage.«
An dieser Stelle beendete Genosse Buc seine Erzählung, als ob er wüsste, dass es uns wahnsinnig machen würde, das Ende nicht zu erfahren. »Bitte fahren Sie fort«, ermunterten wir ihn.
»Zuerst muss ich die Antwort auf meine Frage wissen«,sagte er. »Die anderen Vernehmer, die alten, die lügen die ganze Zeit. Sie sagen: Verrate uns deine geheimen Kommunikationskanäle. Deine Kinder wollen dich sehen, sie sind oben. Rede, und du kannst deine Frau sehen. Sie wartet auf dich. Sag uns, welche Rolle du bei der Verschwörung gespielt hast, und du kannst nach Hause zu deiner Familie .«
»Unser Team arbeitet nicht mit Lügen«, versicherten wir ihm. »Wir beantworten Ihre Frage, und wenn Sie wollen, können Sie’s selbst nachprüfen.« Wir hatten die Akte von Genosse Buc dabei. Jujack hielt sie hoch und Buc erkannte den offiziellen Ordner mit dem blauen Einband und dem roten Streifen.
Genosse Buc starrte uns eine Weile an, dann sagte er: »Ich bin auf dem Bauch gelandet, und Kommandant Ga warf sich auf meinen Rücken. Er saß einfach nur da und gab seine Belehrungen zum Besten. Mir lief Blut ins Auge. Kommandant Ga hat meinen rechten Arm nach außen gehebelt und dann nach hinten verdreht.«
Von der Geschichte vollkommen gefesselt, sagte Q-Ki: »Das ist der umgekehrte Kimura.«
»Es tat unglaublich weh – meine Schulter war danach nie mehr ganz in Ordnung. Bitte , rief ich. Ich habe
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