Das geraubte Leben des Waisen Jun Do
Joo, Choe Kwang und O Paek Ryong, die alle zu heldenhaft für einfache Medaillen gewesen waren. Als Nächstes kam das Grab von Choe Tong O, Vater des südkoreanischen Kommandanten Choe Tok Sin, der nach Nordkorea flüchtete. Und da ist ja auch Choe Tong Os Schwager Ryu Tong Yol! Als Nächstes kam die Büste von Ryang Se Bong, Gebieter über die Tunnel, und das Tötungskommando-Trio Jong Jun Thaek, Kang Yong Chang und der »Sportler« Pak Yong Sun. Viele japanische Waisen spüren noch heute den langen, patriotischen Schatten, den Kim Jong Thaes wirft.
Sun Moons Wangen waren gerötet, so sehr hatte Kommandant Ga sie mit seiner Vaterlandsliebe in Wallung gebracht.
»Kinder! Geht im Wald spielen!«, rief sie.
Dann nahm sie Kommandant Ga beim Arm und führte ihn den Hügel hinab zum Botanischen Garten. Sie kamen an der landwirtschaftlichen Zuchtanlage mit dem hohen Mais und den üppigen Sojabohnen vorbei, vor der die Wachsoldaten mit chromblitzenden Kalaschnikows im Anschlag standen, jederzeit bereit, die nationale Saatgutbank gegen imperialistische Eindringlinge zu schützen.
Vor dem, was womöglich der größte Schatz unseres Volkes ist, blieb Sun Moon stehen: Den zwei Gewächshäusern, die allein der Aufzucht der Kimjongilie und der Kimilsungie gewidmet sind.
»Such dir ein Treibhaus aus«, forderte sie ihren Mann auf.
Die Gewächshäuser hatten milchige Scheiben. In dem einen leuchtete das berauschende Blutrot der Kimjongilie. Das mit Kimilsungie-Orchideen gefüllte Warmhaus erstrahlte in überwältigendem Violett.
Es war offensichtlich, dass sie nicht länger warten konnte. »Ich wähle Kim Il Sung«, verkündete Sun Moon, »denn er ist der Stammvater unserer ganzen Nation.«
Feuchtwarme Luft erfüllte das Treibhaus; ein schwüler Nebel hing in der Luft. Als die Ehegatten Arm in Arm zwischen den Rabatten lustwandelten, erwachten die Orchideen. Ihre Blüten wandten sich dem Liebespaar zu, als wollten sie Sun Moons Anmut in vollen, süßen Zügen in sich aufnehmen. Tief im Treibhaus ließ sich das Paar nieder, um sich zurückgelehnt an der Herrlichkeit der nordkoreanischen Führung zu ergötzen. Ein Schwarm von Kolibris stand über ihnen in der Luft, die Befruchtungsexperten des Staates, und das Schwirren ihrer Flügelschläge drang tief in die Seelen der Liebenden ein, während die Vögelchen sie mit dem Regenbogenschillern ihrer Kehlen und wonnezuckenden, blumenküssenden Zungen betörten. Rund um Sun Moon entfalteten sich die Knospen und spreizten ihre Blütenblätter, um verborgene Pollen zu offenbaren. Von Kommandant Ga tropfte der Schweiß, und zu seinem Lobpreis stießen die Samenfäden süß duftende Blütenstaubwolken aus und bedeckten die Körper des Ehepaares mit dem klebrigen Saft des Sozialismus. Sun Moon schenkte ihm ihre Juche, und er gab ihr alles, was er an Sŏn'gun-Politik in sich hatte. Nach langem Marsch gipfelte ihr temperamentvoller Austausch in einem gleichzeitigen Aufschrei der Liebe zur Partei! In diesem Augenblick erschauderten die Pflanzen des Treibhauses und warfen ihre Blütenblätter ab – ein Teppich für Sun Moon, auf dem sie sich ausstrecken konnte, während ein Laken aus Schmetterlingen kitzelnd ihre mädchenhafte Haut bedeckte.
Bürger, endlich hat Sun Moon ihre tiefsten Überzeugungen mit ihrem Mann geteilt!
Genießt diesen Glanz, Bürger, denn in der nächsten Folge werden wir diesen »Kommandant Ga« einmal genauer unter die Lupe nehmen. Er mag erstaunlich geeignet zur Befriedigung der politischen Bedürfnisse einer Frau sein – dennoch müssen wir uns anschauen, wie er gegen alle sieben Grundsätze nordkoreanischer Bürgerpflichten verstoßen hat.
SUN MOON VERKÜNDETE , der Tag zur Ehrung ihres Großonkels sei gekommen. Obwohl es Samstag war, ein Arbeitstag, würden sie zum Friedhof der Revolutionshelden spazieren, um dort einen Kranz niederzulegen. »Lass uns ein Picknick machen«, sagte Kommandant Ga zu ihr. »Ich koche mein Lieblingsessen.«
Keiner durfte etwas zum Frühstück essen. »Ein leerer Magen ist meine geheime Zutat«, verkündete er. Für das Picknick nahm Ga nur einen Kochtopf, Salz und den angeleinten Brando mit.
Sun Moon schüttelte den Kopf, als sie den Hund sah. »Er darf nicht mit«, sagte sie.
»Ich bin Kommandant Ga«, antwortete er. »Wenn ich meinen Hund ausführen will, führe ich meinen Hund aus. Außerdem sind meine Tage ja sowieso gezählt, oder?«
»Was meint er damit?«, wollte der Junge wissen. »Dass seine Tage gezählt
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