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Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Titel: Das geraubte Leben des Waisen Jun Do Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Johnson
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Wand, wo die Bildnisse ihrer Führer gehangen hatten.
    Gegen Mittag war Jun Do todmüde. Er fegte die verstreuten Garnelen über Bord, zurück in die Welt, die sie hervorgebracht hatte. Aber er tat nur so, als würde er arbeiten, genau wie die Maate am Lebendbehälter, der ebenso Staffage war wie der Schraubenschlüssel, den der Maschinist hielt. Der Kapitän lief an Deck im Kreis und wurde, dem Ton seiner Selbstgespräche nach, zunehmend wütender; wenn er in diesem Zustand war, wollte keiner in seine Nähe kommen, aber ihn aus den Augen zu lassen wagte auch niemand.
    Der Kapitän kam wieder an Jun Do vorbei. Die Haut des Alten war rot, das Schwarz seiner Tätowierungen schien zubrüllen. »Drei Monate«, schrie er. »Drei Monate bist du auf diesem verdammten Boot und kannst noch nicht mal so tun, als wärst du ein Fischer? Du hast hundert Mal dabei zugesehen, wie wir das Netz an Deck ausgekippt haben – isst du nicht von denselben Tellern wie wir und scheißt in denselben Eimer?«
    Sie blickten dem Kapitän auf dem Weg zum Bug nach, und als er wieder zurückkam, taten die Maate nicht mehr so, als würden sie arbeiten, und der Steuermann trat vor das Ruderhaus.
    »Du hockst da unten mit deinen Kopfhörern auf den Ohren, drehst an deinen Knöpfchen und klapperst die ganze Nacht auf deiner verdammten Schreibmaschine herum. Als du an Bord gekommen bist, hieß es, du kannst Taekwondo, du kannst dich zur Wehr setzen. Ich dachte, du würdest stark sein, wenn Not am Mann ist. Was bist du für ein lausiger Spion – du kannst noch nicht mal so tun, als wärst du ein dummer Fischer wie wir andern!«
    »Ich bin kein Spion«, sagte Jun Do. »Ich bin jemand, den sie auf die Sprachschule geschickt haben, nichts weiter.«
    Aber der Kapitän hörte nicht zu. »Was der Zweite Maat gemacht hat, war dumm, aber wenigstens hat er was getan, er hat uns verteidigt und uns nicht in Lebensgefahr gebracht wie du. Aber du hast dagestanden wie angewurzelt, und jetzt ist vielleicht alles aus für uns.«
    Der Erste Maat versuchte etwas zu sagen, aber der Kapitän funkelte ihn an. »Du hättest ja sagen können, dass du ein Reporter bist und einen Artikel über die arbeitsamen Fischer schreibst. Du hättest sagen können, dass du von der Kim Il Sung-Universität kommst und das Verhalten von Garnelen studierst. Der Amerikaner wollte sich nicht mit dir anfreunden. Du bist ihm scheißegal.« Der Kapitän zeigte in RichtungLand. »Und die da sind noch schlimmer«, sagte er. »Menschen bedeuten denen nichts, gar nichts.«
    Jun Do starrte dem Kapitän ausdruckslos ins Gesicht.
    »Hast du mich verstanden?«
    Jun Do nickte.
    »Sag es.«
    »Menschen bedeuten ihnen gar nichts«, wiederholte Jun Do.
    »Haargenau«, erwiderte der Kapitän. »Die interessieren sich nur für die Geschichte, die wir ihnen vorsetzen, und diese Geschichte können sie entweder für sich verwerten oder nicht. Wenn du gefragt wirst, was mit unserer Flagge und unseren Bildern passiert ist, was wirst du dann sagen?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Jun Do.
    Der Kapitän wandte sich an den Maschinisten.
    Der Maschinist sagte: »Es gab schon wieder ein Feuer, diesmal im Steuerhaus, bei dem die Bilder leider verbrannt sind. Wir könnten ein Feuer legen, und wenn es verbrannt genug aussieht, können wir es mit dem Feuerlöscher löschen. Am besten raucht es bei der Einfahrt in den Hafen noch.«
    »Gar nicht schlecht«, sagte der Kapitän. Er fragte den Maschinisten, welchen Part er dabei übernehmen würde.
    »Ich habe mir die Hände verbrannt, als ich versuchte, die Bilder zu retten.«
    »Und warum ist das Feuer ausgebrochen?«, fragte der Kapitän.
    »Billiger chinesischer Treibstoff«, sagte der Zweite Maat.
    »Gut«, sagte der Kapitän.
    »Verunreinigter südkoreanischer Treibstoff«, warf der Erste Maat ein.
    »Noch besser«, antwortete der Kapitän.
    Der Steuermann sagte: »Ich habe mir die Haare abgesengt, als ich die Fahne retten wollte.«
    »Und du, Dritter Maat«, fragte der Kapitän. »Welche Rolle hast du bei dem Feuer gespielt?«
    Jun Do dachte scharf nach. »Ähm – ich habe eimerweise Wasser draufgegossen?«
    Der Kapitän sah ihn angewidert an. Er nahm einen Turnschuh in die Hand und betrachtete die Farben – grün und gelb mit der brasilianischen Raute darauf. »Die hier zu erklären wird zu schwierig«, sagte er und warf ihn über Bord. Er nahm einen anderen in die Hand, weiß mit silbernem Haken, den er ebenfalls über Bord schleuderte. »Einfache Fischersleute

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