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Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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mit einem Frachtschiff von einem Mann namens Denning unterwegs und …« Sie stockte. »Halt mal. Das …« Mit zusammengekniffenen Augen trat sie näher an den Bildschirm. »Kann man das Bild vergrößern?«
    »Puh, äh, Moment, dafür muss ich die Darstellung von den Schirmen in der Zentrale abkoppeln, sonst merken die, dass wir in ihrem System stecken. Im Augenblick schalte ich mich ja nur passiv durch ihre Schirmanzeigen. Aber das kriege ich schon hin. Sekunde.« Ferrer drehte sich um, und seine Finger huschten über die Eingabefläche. »So, eine kleine Endlosschleife. Dann Zugriff auf die Überwachungsdrohne und, zack, da hätten wir es. Ihr glaubt gar nicht, wie dankbar ich bin, dass die Zonengarde mit Gegnern wie mir schon seit Jahrzehnten nicht mehr rechnet. Wie nah möchtest du ran?«
    »Vergrößere bitte mal diesen Teil dort rechts. Es geht mir um das Schiff, das vorne am Bug der
Maersk Titania
festgemacht hat.«
    Ferrer gehorchte.
    »Das ist ja lustig.« Carya spürte, wie sich ungeachtet all der unglaublichen, erschreckenden Erfahrungen und Enthüllungen an diesem Abend ein Lächeln auf ihr Gesicht stahl. »Dieser kleine Frachter dort, das ist die
Albatros
, das Boot von Kapitän Denning, der uns übers Mittlere Meer nach Francia gebracht hat.«
    »Ein Schmugglerschiff«, stellte Emm fest.
    Carya nickte.
    »Tja, das sind die Einzigen, die an Supertankern wie der
Maersk Titania
festmachen dürfen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Das Unterbinden der Erdöltransporte war eine der ersten und wichtigsten Maßnahmen, die die Erdenwacht damals ergriffen hat«, erklärte Ferrer. »Du muss wissen, Carya, dass fast die gesamte Hochtechnologie der alten Menschheit auf dem Einsatz von Erdöl aufbaute. Es diente nicht nur als Treibstoff für Fahrzeuge aller Art, sondern auch als Grundstoff für praktisch alle Produkte der Industrie. Der Stuhl, auf dem ich sitze, mein Rechner, unser Wagen, die Armbänder, die wir tragen, selbst dein Overall, Carya, würden ohne Erdöl nicht existieren. Um also die Entwicklung der Länder überall auf der Welt zu hemmen, hat die Erdenwacht alle Produktionsstätten zerstört oder unter ihre Kontrolle gestellt. Und obwohl es nach wie vor große Mengen an Öl gibt, dürfen Schiffe wie die
Titania
sich nicht dem Festland nähern, sondern ihre Fracht bloß an kleinere Händler verkaufen. Auf diese Weise bleibt Treibstoff selten, und die Petrochemie und alle damit verbundenen Industriezweige kamen überhaupt nicht mehr auf die Beine.«
    »Und wer nicht spurt, wird abgeschossen«, fügte Emm hinzu. »Vor sieben Jahren dachte ein Großtankerkapitän, er könne die Erdenwacht herausfordern. Sein Schiff liegt nun auf dem Grund des Ozeans.«
    »Aber das heißt doch, unser Leben könnte viel besser sein, als es ist«, murmelte Carya. »Es könnte Treibstoff für alle Fahrzeuge geben.«
    »Und Medikamente. Und Langstreckenkommunikation. Bessere Ernteerträge. Elektrizität für alle.« Ferrer hob theatralisch die Arme. »Das ist ja das Absurde. Die Erde könnte ein Paradies sein, genau wie dieses Tal, besser als dieses Tal. Aber die Erdenwacht verhindert es gezielt, sie beraubt die Menschen der Möglichkeit, in einer Zukunft zu leben, die nicht von Angst und Entbehrungen geprägt ist.«
    »Und genau aus dem Grund existiert unsere Gruppe«, sagte Emm. »Weil wir dagegen sind, dass einige wenige sich herausnehmen, das Schicksal der ganzen Welt zu bestimmen. Wir wollen den Menschen die Freiheit wiedergeben, sich zu entwickeln und endlich aus dem Schatten der Dunklen Jahre herauszutreten. Dafür kämpfen wir. Und dafür, so hoffen wir, kämpfst auch du ab heute.«
    Carya antwortete nicht sofort. Gedankenvoll blickte sie auf den Schirm, der ihr das winzige Schiff zeigte, auf dem Denning und seine Mannschaft in diesem Moment saßen, um Fracht aufzunehmen oder aufzutanken, bevor sie zu ihrem nächsten Ziel aufbrachen. Der Gedanke an die – sah man von der Durchquerung von Gibral-Taar ab – schönen und unbeschwerten Tage, die sie mit Pitlit und Jonan an Bord verbracht hatte, ließ Carya ganz wehmütig werden. Die
Albatros
war für sie
das
Symbol von Freiheit.
    Sie musste an all die Menschen in Arcadion und im Ödland, in Paris und seiner Trümmerzone und an den vielen anderen Orten denken, die auch Jahrzehnte nach dem Sternenfall noch ums Überleben kämpften, weil es einfach an so vielem mangelte. Und dann dachte sie an Jonan, der vielleicht tot war, denn es gab keinen Treibstoff für Motorwagen, um

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