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Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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der Mondkaiser und seine Verbündeten die Bösen sind? So hat Ministerin Factice es jedenfalls gesehen – und ich halte sie für eine Frau mit edlen Prinzipien, auch wenn sie eine Verschwörerin gegen die Kaiserkrone war.«
    »Wie könnten wir sie auch verurteilen?«, antwortete Jonan. »Wir sind selbst Verschwörer, bloß gegen die Herren von Arcadion.« Er fuhr sich ratlos durchs braune Haar, das mit jedem Tag in der Fremde länger wurde, sodass aus dem einst linientreuen Militär mehr und mehr auch äußerlich ein Rebell wurde. »Ich fürchte, ich habe keine Antwort für dich. So, wie du es beschreibst, magst du recht haben. In dem Fall wären wir mit schuld daran, dass dieser Krieg ausbricht, denn wir haben den Mondkaiser nicht getötet, als wir die Gelegenheit dazu hatten.«
    Er sagte aus Solidarität
wir,
aber Carya war sich im Klaren darüber, dass nur sie allein diese Schuld traf, wenn irgendwann jemandem die Schuld gegeben werden musste. Ihre Waffe war bereits auf den Kopf des Mannes mit der Silbermaske gerichtet gewesen. Sie hatte sogar abgedrückt, aber unter enormer Willensanstrengung in letzter Sekunde den Lauf die wenigen Zentimeter zur Seite gezogen, die nötig waren, um ihr Ziel zu verfehlen.
    Vielleicht hätte sie gegen Cartagenas Bann nicht ankämpfen sollen. Tatsächlich hatte sie vor allem aus Trotz und aus Wut auf den Botschafter der Erdenwacht so gehandelt. Womöglich hatte sie dabei ihre eigenen Bedürfnisse über das Leben zahlloser Menschen gestellt, die in den nächsten Wochen zu Tode kommen würden.
    »Aber mein Gefühl sagt mir, dass die Wahrheit nicht so einfach ist«, unterbrach Jonan ihre Zweifel. »Ich habe sowohl den Kaiser persönlich gesprochen als auch Paladin Julion Alecander, der immerhin zur Gruppe der Unterhändler gehörte. Keinen von beiden halte ich für einen Fanatiker. Genau genommen dürfte der Paladin der aufrechteste Mann sein, den man im Führungszirkel von Arcadion finden kann. Dass er trotz seiner geheimen Verbindung zur Erdenwacht Cartagena am Ende getötet hat, spricht dafür, dass dieser wirklich einigen Dreck am Stecken hatte. Und obwohl es der Kaiser hinter seiner Maske verbirgt, scheint auch er mir jemand zu sein, der mit Bedacht handelt und nicht aus blindem Eifer, wie etwa Großinquisitor Aidalon.«
    Er schüttelte grimmig den Kopf. »Es bringt nichts, sich wegen dem, was passiert ist, und dem, was jetzt kommen wird, verrückt zu machen. Wir können es nicht mehr ändern. Vielleicht konnten wir es nie. Dazu haben Leute wie Cartagena und Neve Arida ihr Netz auf Château Lune viel zu gut um uns gewoben.«
    Carya presste die Lippen zusammen. »Sich nicht den Kopf zu zerbrechen ist leichter gesagt als getan«, erwiderte sie, und eine leichte Anklage lag in ihrer Stimme.
    »Ich weiß«, antwortete Jonan. Seine Züge wurden etwas weicher. Er schaltete den Navigator aus und verstaute ihn in seinem Beutel. Dann streckte er einladend einen Arm aus. »Komm her.«
    Sie rückte wieder neben ihn, und er schlang die Arme um sie, hielt sie fest, tröstend und beschützend zugleich. »Und trotzdem sollten wir uns nicht um Entwicklungen scheren, die außerhalb unserer Möglichkeiten zur Einflussnahme liegen. Für uns gibt es Dinge, die wichtiger sind, unmittelbarer.«
    »Die Schwarze Zone«, murmelte Carya.
    »Überleben«, sagte Jonan.
    Der Tag zog sich dahin, ebenso wie die Landschaft, durch die sie fuhren. Francia schien eine einzige sanft hügelige Einöde zu sein, die von einem braungrünen Gräsermeer überzogen war. Buschwerk und kleinere Baumgruppen verteilten sich wie lose ausgestreut übers Land, und gelegentlich waren die Dächer von Dörfern in der Ferne zu sehen. Mustard machte sich nicht einmal die Mühe, ihre Karawane dorthin umzuleiten. Die Erfahrung hatte sie alle gelehrt, dass es seit den Dunklen Jahren außerhalb der großen Städte kein menschliches Leben mehr gab. Zumindest keins, dem man freiwillig begegnen wollte.
    Gegen Nachmittag wurde das Gelände unübersichtlicher. Grüne Erdwälle tauchten links und rechts neben der Handelsstraße auf, die obendrein von Reihen dicht beieinanderstehender Bäume gekrönt wurden, sodass man das Land dahinter kaum noch zu sehen vermochte. Mustard schickte Jonan und einen kraushaarigen Mann, dessen Namen Carya nicht kannte, die Wälle hinauf, um die Lage vor der Karawane auszukundschaften. Offenbar befürchtete er, eine Bande Wegelagerer könnte sich die Umgebung zunutze machen.
    Eine halbe Stunde später

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