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Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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entdeckten sie tatsächlich etwas, allerdings mitten auf der Straße. Von vorne erklang ein Ruf, der nach hinten weitergegeben wurde, und die Karawane kam zum Stehen.
    Carya, die zuletzt mit Pitlit neben den Lastkutschen hergelaufen war, um sich die Beine zu vertreten, reckte besorgt den Hals. »Was ist denn da los?«
    »Finden wir es heraus«, schlug der Straßenjunge vor und verfiel in einen leichten Trab, um an den Fahrzeugen vorbei den Kopf der Karawane zu erreichen. Carya folgte ihm. Auch andere Mitglieder von Mustards Reisegesellschaft warfen neugierige Blicke nach vorn, und als Carya an Seyfrieds Kutsche vorbeilief, sah sie, dass der bärtige Hüne ein Gewehr mit einem langen Lauf hervorgeholt hatte.
    Vor ihnen sprang Mustard aus der Kutschkabine seines umgebauten Lastwagens. Auch er hatte ein Gewehr in der Hand. Der kraushaarige Mann kam vom linken Erdwall hinuntergelaufen und schloss sich ihm an. Jonan blieb, seine Templerwaffe im Anschlag, auf dem rechten stehen und ließ den Blick langsam über die Umgebung schweifen.
    »Igitt, was ist denn hier passiert?«, entfuhr es Pitlit, als Carya und er den Grund für ihr Anhalten erblickten.
    Auf der Straße lagen mehrere gefällte Baumstämme. Es schien, als hätten sie ursprünglich eine Art Barriere gebildet, doch jemand hatte sie auseinandergeschoben, sodass Fahrzeuge wieder passieren konnten. Zuvor jedoch war der Unbekannte offenbar in den vorbereiteten Hinterhalt geraten, zu dem die Baumstämme gehört hatten. Vier leblose Körper lagen verkrümmt zu beiden Seiten der behelfsmäßigen Sperre. Sie hatten zerlumpte Kleider an und trugen weder Waffen noch Stiefel. Ihre Gesichter waren mit Erde beschmiert, und Carya fiel auf, dass sie Zweige mit frischem Blattwerk an Jacken und Westen befestigt hatten.
    Und noch etwas war bei näherem Hinschauen unübersehbar: Alle wirkten, als wären sie von Kugeln regelrecht durchsiebt worden. Einem der Männer fehlte der halbe Schädel, ein anderer sah aus, als hätte ihn ein schweres Fahrzeug überrollt, denn sein Unterleib erschien auf bizarre Weise platt gedrückt. Rasch wandte Carya den Blick ab. Natürlich war es zu spät. Das grauenvolle Bild hatte sich in einem Sekundenbruchteil in ihren Geist gebrannt.
    Einen Moment lang spürte sie, wie Übelkeit in ihr aufstieg. Sie wünschte sich, dass die Programmierung der Erdenwacht auch in Augenblicken wie diesen greifen und sie jeder inneren Beteiligung berauben würde, so wie es geschah, wenn sie zur Attentäterin wurde und, ohne zu zögern, zu töten vermochte. Leider konnte man diese Gabe, die zugleich ein Fluch war, nicht einfach so herbeirufen – zumindest war Carya dazu nicht imstande. Cartagena hatte es irgendwie gekonnt.
    Dennoch gelang es ihr, den Anfall von Unwohlsein abzuschütteln, indem sie ein paarmal tief ein- und ausatmete und dabei bewusst an nichts dachte. Der kraushaarige Mann neben ihr hatte weniger Erfolg. Mit einem würgenden Geräusch wandte er sich ab und übergab sich hinter den Baumstämmen.
    »Diese armen Irren haben sich übernommen«, brummte Mustard auf Francianisch. »Ihre Gier war groß, doch ihr Feind zu mächtig.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Carya.
    Der Karawanenführer hob etwas vom Boden auf, das silbern glänzte. Aus Höflichkeit gegenüber Pitlit wechselte er ins Arcadische. »Das hier sind Gewehrhülsen aus Stahl. Ein großes Kaliber. Kein Wegelagerer verwendet so etwas. Die stammen aus den Arsenalen des Mondkaisers.«
    Als der Junge das hörte, wurde er ganz aufgeregt. »Glauben Sie, der Konvoi, den wir gestern Nacht gesehen haben, hat hier gekämpft?«
    Mustard nickte. »Das glaube ich in der Tat. Und wie es aussieht, wurden die Angreifer spektakulär in die Flucht geschlagen. Sie sind so schnell abgehauen, dass sie sogar ihre toten Kameraden zurückgelassen haben.«
    Carya runzelte die Stirn. Irgendetwas an dieser Aussage ergab keinen Sinn. Wenn die verbliebenen Wegelagerer so überstürzt das Weite gesucht hatten, wieso fehlten den Toten dann die Waffen und Stiefel? Die Militärs hatten sie bestimmt nicht mitgenommen. Hatte sich also jemand bedient, der später hier vorbeigekommen war? Oder waren die Wegelagerer zurückgekehrt, um ihren gefallenen Kameraden alles Wertvolle abzunehmen? In dem Fall stellte sich allerdings die Frage, warum sie die Leichen nicht mitgenommen hatten, um sie zu bestatten. Gab es denn überhaupt kein Gefühl für Anstand hier draußen? Oder …
    Am hinteren Ende der Karawane löste sich ein

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