Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
Vom Netzwerk:
aufzuheben. Der Schmerz trieb ihm Tränen in die Augen, aber er würde das Gewehr nicht zurücklassen. Sie würden es noch brauchen, wenn sie überleben wollten.
    Geduckt drängten sie sich durch das Buschwerk den Erdwall hinauf bis zu den Bäumen. Sie mussten außer Sicht sein, bevor den Wegelagerern klar wurde, dass drei ihrer Opfer zurückgeblieben waren. Im Grunde besaßen sie kaum mehr etwas von Wert. Aber schon Pitlits Revolver oder Jonans Jacke mochten für diese Leute Grund genug sein, um über sie herzufallen – von seiner Templerwaffe ganz zu schweigen. Und über das, was sie Carya antun würden, wenn sie in ihre Gewalt geriet, wollte er gar nicht erst nachdenken.
    Unbemerkt erreichten sie den Hügelkamm. Die Wegelagerer waren zu sehr damit beschäftigt, die Toten zu plündern, um ihren Blick in Richtung der Baumlinie zu lenken. Leider blieb ihnen das Schicksal nicht viel länger hold.
    Ein lauter Ruf zerriss die Stille, die mit der erfolgreichen Flucht der Kutschenkarawane eingetreten war. Ein Adrenalinstoß fuhr durch Jonans Körper, und sein Kopf ruckte herum.
Sie haben uns entdeckt!
, schrie es in ihm, und was er sah, bestätigte diese Befürchtung. Einer der Wegelagerer deutete in ihre Richtung und brüllte seinen Gefährten etwas zu, das Jonan nicht verstand. Möglicherweise sprachen sie einen francianischen Dialekt.
    Sofort rannten vier der mittlerweile knapp zehn Männer und Frauen, die unten auf der Straße zugange waren, in ihre Richtung.
    »Gib mir deinen Revolver«, forderte Carya Pitlit auf und streckte die Hand aus.
    »Nein, wir müssen verschwinden«, widersprach Jonan. »Es sind zu viele, sieh doch.« Er deutete auf die Baumlinie vielleicht dreißig Meter zu ihrer Rechten. Auch dort bewegte sich etwas im Gebüsch. »Wir werden eingekreist und überwältigt. Selbst wenn wir fünf oder sechs von ihnen erschießen – diesen Kampf gewinnen wir nicht.« Hastig begann er den Erdwall auf der anderen Seite wieder hinunterzustolpern, die rechte Hand auf seine blutende Seite gepresst, mit der linken das viel zu schwere Sturmgewehr krampfhaft umklammert.
    Carya und Pitlit schlossen sich ihm an. Der Straßenjunge hatte den Revolver gehoben und sah sich immer wieder nervös um. »Wie viele Kugeln hast du noch in der Trommel?«, fragte Jonan ihn.
    »Fünf … glaube ich«, gab Pitlit zurück. Die Angst in seiner Stimme war nicht zu überhören.
    Beiläufig warf Jonan einen Seitenblick auf die rot glühende Munitionsanzeige seines Gewehrs. Die Zahl 22 blinkte ihm entgegen. Warnend wies sie ihn darauf hin, dass er die Waffe nachladen musste. Unerfreulicherweise befanden sich seine Munitionsbestände auf einer sich mit jeder Sekunde weiter entfernenden Lastkutsche.
Diesmal stecken wir echt in Schwierigkeiten
, dachte er.
    »Vielleicht haben wir Glück, und die Wegelagerer verfolgen uns nicht, weil sie sich nicht zu weit von ihren Freunden entfernen wollen«, meinte Carya, während sie über einen verdorrten Streifen Wiese auf die Baumgrenze eines Waldes zueilten, der sich durch den Erdwall verborgen parallel zur Handelsstraße erstreckte.
    Hinter ihnen ertönte ein erbostes Aufkreischen, gefolgt von einem mehrstimmigen Heulen. »Sie haben die beiden Toten gefunden«, mutmaßte Jonan. »Jetzt wollen sie Rache.« Er verzog das Gesicht und beschleunigte seine Schritte. »So viel also dazu. Wir müssen den Wald erreichen. Dort können wir uns vielleicht vor ihnen verstecken.«
    Gemeinsam hasteten sie über den Grasstreifen und tauchten in den Schatten der ersten Bäume ein. Das Unterholz war nicht dicht genug, um ihnen viel Sichtschutz zu gewähren, aber es erschwerte dennoch das Vorankommen. Schwer atmend kämpften sie sich über Stock und Stein und blickten dabei immer wieder zu ihren Verfolgern zurück, die erschreckend rasch zu ihnen aufschlossen.
    »Jonan, gib mir das Gewehr«, verlangte Carya. »Dann sind wir schneller.«
    »Nein«, keuchte Jonan. »Es ist zu schwer für dich.«
    »Und du bist verletzt.«
    »Ich bin trotzdem kräftiger als du.«
    Sie warf ihm einen verärgerten Seitenblick zu. »Du unterschätzt mich immer noch.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nicht im Geringsten. Du bist schnell … lautlos … und tödlich, wenn es sein muss. Aber dieses Ding … ist kein Messer und kein Revolver.« Sie kletterten über einen umgestürzten Baum hinweg, und Jonan ächzte schmerzerfüllt auf.
    »Verdammt, Jonan, aber so schaffen wir es nicht!«, rief Carya erregt. »Entweder wir fliehen, oder wir

Weitere Kostenlose Bücher