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Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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kleine Feuerstelle in Sicht, außerdem hingen ein paar einfache Hemden und Tücher an einer zwischen zwei Baumstämmen gespannten Schnur zum Trocknen.
    Denier hob die Hände zum Mund, bildete einen Hohlraum und stieß einen eigentümlichen Vogellaut aus, der in Caryas Ohren nicht so klang, als würde er zu einer einheimischen Vogelart gehören.
    Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – zeigte das offenbar vereinbarte Lautzeichen Wirkung. Eine zugewachsene Holztür wurde aufgeschoben und ein vielleicht achtjähriges Mädchen mit aschblonden, zerzausten Haaren lugte daraus hervor. Es hatte Halbstiefel, eine feste Stoffhose und eine Bluse an und blickte ihnen abweisend, aber auch ein klein wenig neugierig entgegen.
    »Ich bringe Gäste mit, Elje«, sagte Denier, während er die letzten Schritte auf die Hütte zuging. »Einer von ihnen ist verletzt. Mach ein Feuer an. Ich brauche heißes Wasser, um seine Wunden zu reinigen.«
    Das Mädchen ließ den Blick über die Gruppe schweifen. Es hatte erstaunlich helle, eisgraue Augen.
    »Hallo«, sagte Pitlit und hob grüßend die Hand.
    Elje schüttelte bloß den Kopf und verschwand wieder im Haus.
    »Habe ich was Falsches gesagt?«, fragte der Straßenjunge verwundert.
    »Nein, keine Sorge«, gab Denier zurück. »Sie ist nur etwas scheu. Und sie spricht nicht.«
    »Sie ist stumm?«
    »Sie
wurde
stumm – als ihr Bruder und ihre Mutter starben.«
    »Oje, das tut mir leid«, sagte Carya.
    Das Gesicht ihres Retters verhärtete sich. »Es ist schon drei Jahre her. Es hat keine Bedeutung mehr.«
    Beinahe hätte Carya nachgefragt, wie sie ums Leben gekommen waren. Sie verkniff sich die Worte jedoch. Zum einen stand es ihr nicht zu, Denier über so persönliche Dinge auszufragen. Zum anderen hatte sie im Augenblick wichtigere Probleme. Ihr Blick wanderte zu Jonan, der kurzatmig und erschreckend bleich im Gesicht an Deniers Schulter lehnte. »Wir müssen ihn reinbringen«, sagte sie. »Er muss sich hinlegen.«
    »Ja«, antwortete Denier nickend. »Kommt.«
    Sie betraten die Hütte, wo Elje gerade einen großen Topf von einem Haken an der Wand nahm. Gleich darauf huschte sie nach draußen.
    Die Hütte sah auch von innen ausgesprochen rustikal aus, wie Carya feststellte, während sie Jonan gemeinsam mit Denier zu einer Lagerstätte an der hinteren Wand führte. Die Wände bestanden aus einem Gerüst aus schlanken Baumstämmen, deren Zwischenräume mit Ästen und Erde aufgefüllt worden waren. Neben der Tür gab es nur ein kleines Fenster und ein mehr oder minder rundes Loch im Dach, das sich über einer zweiten, etwas kleineren Feuerstelle befand, die Denier vermutlich nutzte, wenn das Wetter zu schlecht war, um im Freien zu kochen.
    Neben dem Bett befanden sich noch ein Tisch, zwei Stühle und ein paar Regale voll unterschiedlichster Utensilien in dem Raum. Die Einrichtung war nicht selbstgezimmert, sondern offenbar aus einem benachbarten Dorf entwendet worden, wobei der Einsiedler eher auf Haltbarkeit als auf Aussehen geachtet haben musste. Nichts passte zusammen; der Tisch mit seiner schmutzig weißen Farbe, der aus irgendeinem unverrottbaren Material aus der Zeit vor dem Sternenfall zu bestehen schien, stach regelrecht heraus.
    Im hinteren Bereich, oberhalb des Schlaflagers, auf dem mehrere grobe Wolldecken und sogar ein Tierfell lagen, führte eine provisorische Treppe hinauf zu einer schmalen Empore unter der Decke. Dort schien sich Eljes kleines Reich zu befinden, zumindest sprach der blaue Vorhang mit den stilisierten Sternen dafür, der einen Teil der Empore verhängte.
    Sie setzten Jonan auf die Bettkante, und Denier begann vorsichtig, ihm Lederjacke und Hemd auszuziehen. Er warf Carya einen Seitenblick zu und öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen. Dann runzelte er die Stirn. »Äh, wie heißt du eigentlich?«, fragte er.
    »Carya. Carya Diodato«, antwortete sie.
    Denier nickte. »Also dann, Carya, geh bitte dort drüben zum Regal und hol mir den olivgrünen Metallkasten mit dem Kreuz drauf.«
    »Den Verbandskasten?«, wollte Carya wissen.
    »Genau.«
    Sie leistete der Aufforderung Folge. Der etwa schuhkartongroße Kasten war erstaunlich schwer. »Was haben Sie da alles drin?«, wollte sie wissen.
    »Alles, was man zum Überleben braucht«, gab Denier zurück. »Und vermutlich mehr, als die meisten erwarten würden.« Er blickte zu Pitlit hinüber. »Schau mal nach dem Wasser. Ich brauche es zum Reinigen der Wunden.«
    »Ist gut.« Eifrig flitzte der

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