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Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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Wolldecken, die sie beim Angriff der Wegelagerer auf Mustard und seine Leute verloren hatten. »Wenn wir wirklich einen Markt finden«, sagte sie zu Jonan, der auch wach war und sich mit einer Hand seine verletzte Seite hielt, »dann müssen wir neben neuem Proviant unbedingt versuchen, ein paar Mäntel oder Decken einzutauschen.«
    »Keine Widerrede von mir«, antwortete Jonan, bevor er ächzend aufstand. »Die Sache hat nur einen Haken, und der gibt mir gehörig zu denken.« Er warf ihr einen düsteren Blick zu. »Ich habe keine Ahnung, was wir eintauschen sollen. Seit unser ganzes Hab und Gut, inklusive der sauer verdienten Silbermünzen des Mondkaisers, mit Mustard über alle Berge verschwunden ist, besitzen wir so gut wie nichts mehr von Wert. Außer … Nun ja, außer meinem Sturmgewehr.«
    »Nein, Jonan«, entfuhr es Carya, und sie rappelte sich auf, »nicht dein Gewehr. Das hat uns nun schon so lange begleitet und beschützt. Wer weiß, wann wir es noch brauchen werden.«
    »Ich kann es im Augenblick nicht tragen, weil es zu schwer für mich ist, und es besitzt keine Munition mehr«, hielt Jonan dagegen. Er senkte den Blick. »Es ist die einzig logische Entscheidung.«
    Carya trat zu ihm. »Es geht nicht immer nur um Logik, Jonan«, sagte sie leise, »sondern auch um Gefühle. Um das, was uns ausmacht. Warum habe ich immer noch diesen blöden Schlüssel zu meiner Kapsel um den Hals hängen? Sicher nicht, weil ich ihn in absehbarer Zukunft bräuchte. Aber irgendwie gehört er zu mir. Er erinnert mich daran, wo ich herkomme, und zeigt mir, wo ich hin will. Und genauso ist es mit deinem Gewehr.«
    »Es ist bloß eine Waffe, Carya.«
    »Und ein Ritter braucht eine Waffe.«
    »He, worüber redet ihr?«, fragte Pitlit, der mit Elje aus dem hinteren Bereich des Einkaufsmarkts kam. Das Mädchen hatte rot verquollene Augen, wirkte ansonsten aber gefasst.
    »Wir grübeln, wie wir an etwas zu essen und ein paar Decken gelangen können«, verriet Carya ihm. »Also, falls wir überhaupt einen Markt finden.«
    Pitlit schaute sie verwirrt an. »Na ja, wir tauschen sie ein.«
    »Aber wogegen?«
    Auf den Zügen des Straßenjungen hielt eine triumphierende Miene Einzug. »Ha, das kommt davon, wenn man bloß draußen die Sterne anschaut und Händchen hält, statt sich um den nächsten Tag zu kümmern. Schaut mal her.« Er hüpfte in den Gang zurück und tauchte gleich darauf mit einem rasselnden, scheppernden Wagen aus Drahtgeflecht wieder auf. In dem Wagen lag ein Haufen Krimskrams, den Pitlit und Elje gestern Abend gesammelt haben mussten. »Wir haben hier ein paar abgepackte Lappen«, sagte der Junge, »einen Dosenöffner, eine Flasche Bier, die erst … hm, na ja, vierzig Jahre abgelaufen ist. Dann wären da noch ein paar Schuhe, wobei ich das Gefühl habe, dass der linke etwas größer ist als der rechte, aber das müssen wir ja niemandem auf die Nase binden. Außerdem haben wir einen kleinen Karton mit Waschmittel gefunden und ein Kästchen mit so lustigen Wattestangen, an denen Schnüre sind – keine Ahnung, was das ist. Ich will jetzt nicht alles einzeln aufzählen. Das Beste ist ohnehin das hier.«
    Pitlit griff in den Wagen und zog einen Trichter mit einem röhrenförmigen Griff darunter hervor, in den er einen kleinen Ball legte. Mit einem Knacken löste er einen Federmechanismus aus, der den Ball hoch in die Luft schleuderte. »Ich habe nicht den leisesten Schimmer, wozu das gut sein soll«, gestand er lachend. »Aber ich find’s witzig. Elje, holst du mal den Ball?« Er sah das Mädchen mit Hundeblick in den Augen an.
    Elje schnaubte unwillig – offenbar holte sie den Ball nicht zum ersten Mal –, lief dann aber gehorsam los, um ihn zu suchen.
    »Pitlit, ich muss gestehen, ich bin beeindruckt«, sagte Jonan. »Ich habe keine Ahnung, wie viel dieses gesammelte Zeug uns einbringen mag. Wir sollten lieber nicht zu viel erwarten. Aber jedes bisschen hilft.«
    »Sehe ich auch so«, antwortete Pitlit, sichtlich stolz auf das Lob.
    Sie aßen die Reste ihres Proviants und machten sich danach auf den Weg. Eine Stunde lang streiften sie durch die Stadt namens Chalon und mussten dabei feststellen, dass sie weitläufiger war, als sie zunächst angenommen hatten. Die Hochhäuser schienen nur das Zentrum zu bilden, von dem sich eine Vielzahl von Straßen in alle Himmelsrichtungen ausbreitete. Dabei war die Häuserdichte in einigen Bezirken so gering, dass die einzelnen Gebäude im wuchernden Grün geradezu versanken. Es

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