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Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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hatten. Und zu allem Überdruss war Genève genau die Richtung, in der auch ihr Weg sie führte.
    »Nicht nur der«, meldete sich der Fleischer am Nachbarstand zu Wort. »Mein Bruder hat mir heute Morgen erzählt, er hätte gestern mit einigen fahrenden Händlern gesprochen, die aus dem Süden kamen. Dort geht die Kunde um, dass auch die Truppen des Lux Dei sich sammeln. Das mag nun nichts Neues sein. Zwischen den Bergen und der Küste wird seit Jahrzehnten gekämpft. Mal herrscht ein paar Monate oder vielleicht sogar ein Jahr lang Ruhe, dann glaubt wieder eine Partei, einen Vorstoß wagen zu müssen.«
    Er schüttelte den Kopf und rieb sich mit der Hand übers bärtige Kinn. »Aber diesmal ist es anders. Diesmal verstärken die richtig ihre Truppen. Das gefällt mir überhaupt nicht, wisst ihr, denn wenn der Lux Dei bei Grenoble durchbricht, liegt nur noch Lyon zwischen uns und dem Feind. Und wir alle wissen, dass in Lyon bloß noch ein paar Banden leben.«
    »Ich weiß nicht, ob der Lux Dei diesmal unser Feind ist«, mischte sich eine ältere Frau ein, die hinzugetreten war, um sich die Fleischwaren anzuschauen. »Mein Neffe arbeitet für die Garnison, und er hat meinem Sohn erzählt, dass der Mondkaiser und der Lux Dei ein Bündnis geschlossen haben.«
    »Was? Das kann ich nicht glauben«, unterbrach sie der Käsehändler.
    »Doch, solche Gerüchte haben wir auch vernommen«, bestätigte Carya die Aussage der Frau.
    »Seit Jahren kämpfen wir an den Grenzen gegen den Lux Dei«, sagte der Bauer. »Warum sollten wir nun auf einmal Freunde sein?«
    »Weil der Lux Dei und der Mondkaiser einen gemeinsamen Feind ausgemacht haben«, antwortete Jonan humorvoll. »Sie kennen sicher das Sprichwort: Der Feind meines Feindes ist mein Freund.«
    Der Bauer runzelte die Stirn. »Und dieser Feind ist …?«
    »Der Ketzerkönig!«, schrie ein Mann, der in diesem Augenblick den Hauptweg des Marktes hinuntergestürmt kam. Er hielt einen Zettel in der Hand, der so klein war, dass er von einer Brieftaube stammen mochte, und wedelte damit aufgeregt in der Luft herum. Sein Gesicht war gerötet, die Augen hatte er weit aufgerissen. »Der Ketzerkönig hat im Norden die Grenze überschritten! Mettis hat sich kampflos ergeben. Ich habe es gerade eben erfahren.«
    Um sie herum brach wildes Durcheinander aus. Die Marktbesucher drängten sich um den Mann und wollten die Botschaft sehen, die er in den Händen hielt. Hatte vorher dumpfe Sorge geherrscht, trat jetzt offene Angst zutage.
    »Woher stammt die Botschaft?«, rief der Fleischer.
    »Ist Näheres über das Schicksal der Bewohner von Mettis bekannt?«, wollte eine Frau wissen.
    »Dringen die Truppen weiter vor?«, fragte ihr Begleiter.
    »Ich habe bislang keine weiteren Informationen«, antwortete der Mann atemlos. »Ich arbeite beim Kurierdienst und habe diese Nachricht von einem Freund aus Mettis bekommen. Er versprach mir, sich später zu melden, wenn er mehr weiß. Aber ich kann nicht sagen, wann das sein wird. Mir ist also nur das bekannt: Der König von Austrogermania greift uns mit seinen Truppen an!«
    Carya spürte, wie ihr bei diesen Worten ein Schauer über den Rücken lief. Sie wechselte einen raschen Blick mit Jonan. Er machte ein ernstes Gesicht.
    Aus der Menge drängten sich Pitlit und Elje zu ihnen durch, die sich ein wenig auf dem Markt hatten umschauen wollen. Die Jackentaschen des Straßenjungen wölbten sich verdächtig, doch wie viele der Dinge, die sich darin befinden mochten, von Pitlit wirklich bezahlt worden waren, fragte Carya sich nur nebenbei. Sie hatten größere Sorgen.
    »Habt ihr das gehört?«, fragte Pitlit. »Das mit dem Ketzerkönig?«
    Carya und Jonan nickten.
    »Was heißt das für uns?«
    Jonan schürzte nachdenklich die Lippen. »Wenn wir Glück haben und schnell sind, gar nichts. Allerdings besteht eine gewisse Gefahr, denn wenn der Ketzerkönig in den Norden von Francia eingefallen ist, werden die Truppen, die der Mondkaiser und der Lux Dei im Süden sammeln, sicher rasch den Weg nach Norden antreten, um den Feind abzufangen. Dabei werden sie wahrscheinlich durch diese Gegend marschieren. Je nachdem, wie mutig oder verzweifelt sie sind, werden sie näher am Gebirge vorbeiziehen oder in größerer Entfernung. Es ist also durchaus möglich, dass wir den Truppen über den Weg laufen.« Er sah Carya an. »Und ich glaube nicht, dass wir das wollen.«
    »Befürchtest du ernsthaft, dass wir auf Soldaten treffen könnten, die sich an unsere Taten in

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