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Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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gekämpft?«, fragte Jonan.
    »Unser Vater und seine Kameraden, ja. Meine Mutter traf er erst später, nachdem …« Er brach ab.
    Nachdem sie desertiert waren, vervollständigte Jonan den Satz in Gedanken.
    »… nachdem alles den Bach runtergegangen und sowieso egal war«, sagte Reno.
    »Also sind sie hierher geflohen, um ein neues Leben anzufangen?«
    »Ja.«
    »Aber was ist mit all den Tieren? Haben sie die hier noch vorgefunden?«
    Reno nickte. »Der Hof stand schon, aber er war in erbärmlichem Zustand. Die Besitzer litten an einer schweren Krankheit und konnten ihn nicht mehr richtig führen. Alle Nachbarn waren geflohen, weil sie Angst vor Plünderern hatten, die ironischerweise niemals kamen. Alles war da. Nur es fehlte an Manneskraft, um es wieder ertragreich werden zu lassen. Es war eine schwere und entbehrungsreiche Aufgabe, aber sie ist geglückt. Während die Leute da draußen ihre Welt vernichtet haben, wurde sie hier in einer kleinen Oase wiedergeboren.«
    »Aber Onkel«, meldete sich Cris, der älteste der Jungen, zu Wort, »ich würde schon gerne mehr über Carya erfahren. Warum war sie in Paris und warum reist sie jetzt nach Firanza? Was ist überhaupt Firanza?«
    »Eine Stadt im Süden«, sagte Jonan an Caryas Stelle, etwas schärfer als beabsichtigt. Ihm gefiel die Art nicht, wie dieser Kerl mehr über Carya erfahren wollte. »Wir reisen dorthin, weil dort unsere Heimat ist. Und in Paris waren wir …« Er stockte. Eigentlich wollte er so wenig wie möglich über die wahre Natur ihrer Odyssee durch Francia preisgeben.
    »Weil ich meine Eltern gesucht habe«, führte Carya den abgebrochenen Satz unerwartet fort. »Ich bin bei Pflegeeltern groß geworden, bis ich vor ein paar Monaten erfahren habe, dass mein leiblicher Vater wahrscheinlich in Paris weilt. Ich bin losgezogen, weil ich ihn kennenlernen wollte.«
    »Und? Hast du ihn gefunden?«, fragte Cris.
    »Nein«, erwiderte Carya ernst. »Das Ganze erwies sich als Hirngespinst. Unsere Reise war umsonst. Nun wollen wir nur noch nach Hause.«
    Anerkennend musste Jonan feststellen, dass es ihr perfekt gelang, die Wahrheit so zu dehnen, dass sie weder rundheraus zur Lüge gezwungen war, noch zur Preisgabe heikler und entschieden privater Informationen über ihr Leben und ihre Herkunft.
    »Das ist verständlich«, sagte Reno. »Nichts ist wichtiger, als ein gutes Zuhause zu haben. Manche erkennen bereits im Kindesalter, wohin sie gehören. Andere müssen hierzu einmal quer durch die Welt reisen.« Er stützte die Hände auf der Tischplatte ab und ließ seinen Blick zufrieden wie ein Patriarch über die Runde schweifen. Alle außer Pitlit hatten ihre Mahlzeit inzwischen beendet. »So, das war ein gutes Abendessen. Nun wird es Zeit für uns, alles für die Nacht vorzubereiten. Jonan, ihr solltet bis morgen früh bei uns bleiben. Wir haben Platz genug, und ein Bett dürfte in jedem Fall einem Lagerplatz in der Wildnis vorzuziehen sein.«
    »Wir möchten Ihnen wirklich nicht zur Last fallen«, wandte Jonan ein.
    »Unsinn!«, unterbrach ihn Reno. »Ihr seid die ersten Gäste seit Jahren. Wir werden euch sicher nicht vor dem Hof im Wald übernachten lassen. Bei uns ist es doch viel angenehmer.« Bei diesem letzten Satz warf er Carya einen kurzen Blick zu. Das mochte reiner Zufall sein, aber Jonan gefiel es trotzdem ganz und gar nicht.

Kapitel 12
    So, das sind eure beiden Zimmer«, sagte Reno, als er sie wenig später zu ihren Schlafquartieren führte. Diese lagen im zweiten Stock des Hauses, direkt unter dem Dach, auf der rechten Seite eines schmalen Korridors. In die linke Wand waren zwei weitere Türen eingelassen. »Ein Abstellraum, der euch nicht zu kümmern hat, und eine Toilette«, erklärte ihr Gastgeber.
    Die Räume erwiesen sich als enge Kammern mit schräger Decke, in der es jeweils nur ein kleines Dachfenster gab. Die Einrichtung war spartanisch – ein Bett, ein Schrank, eine Kommode mit Waschschüssel, ein Tisch und zwei Stühle –, aber alles war vorbildlich sauber. »Die Zimmer gehören Arturo und Andra, aber für eine Nacht treten sie sie gerne an euch ab und schlafen bei ihrem großen Bruder. Es gibt in jedem Raum nur ein Bett. Da ich nicht möchte, dass die Fantasie meiner Neffen noch stärker angeregt wird als bereits geschehen, muss ich darauf bestehen, dass ihr nach Männern und Frauen getrennt schlaft. Ich denke, das ist nicht zu viel verlangt.«
    »Das ist kein Problem«, erwiderte Carya. »Danke.«
    Reno nickte zufrieden.

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