Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
Vom Netzwerk:
einer Beiläufigkeit in seiner Armbeuge ruhte, die dem Gewicht der Waffe zu spotten schien.
    »Ich werd’ verrückt«, murmelte Pitlit. »Der Kerl erinnert mich an Enzo und Luceno.«
    Jonan nickte langsam. Nun, da der Straßenjunge es sagte, fiel auch ihm die Ähnlichkeit auf. Er sah ihnen nicht so gleich wie sie einander, aber Züge und Statur wiesen doch genug Gemeinsamkeiten auf, dass er ihr Sohn hätte sein können, was tatsächlich zu seinem Alter gepasst hätte – vorausgesetzt Enzo hätte etwa zur Zeit des Sternenfalls einen Nachkommen gezeugt.
    »Wer seid ihr?«, rief der Mann ihnen auf Francianisch zu.
    Da seine Aussprache einen deutlich arcadischen Akzent aufwies, antwortete Jonan in seiner Muttersprache. »Wir sind Reisende auf dem Weg von Paris nach Firanza. Wir kommen in Frieden und wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns etwas zu essen verkaufen könnten. Unsere Vorräte sind beinahe aufgebraucht.«
    »Von Paris nach Firanza?«, wiederholte der Mann misstrauisch.
    »Ja«, sagte Jonan.
    »Das ist ein verdammt weiter Weg.«
    »Das können Sie laut sagen. Wir wünschten, er läge schon hinter uns.«
    »Und da kommt ihr ausgerechnet in unserem Tal vorbei?«
    Jonan zuckte mit den Achseln. »Reiner Zufall. Wir dachten, es gäbe einen Weg über die Berge, der unsere Reise abkürzen würde. Leider haben wir bisher keinen Pass gefunden.«
    »Hm«, brummte der Mann. Er warf einen Blick auf Jonans Gewehr, das dem seinen so ähnlich war, und dann musterte er Jonan eindringlich, als versuchte er herauszufinden, wie er diesen jungen Mann mit seinen drei noch jüngeren Begleitern einschätzen sollte.
    Er schien zu dem Schluss zu kommen, dass sie keine Gefahr darstellten. »Na schön, ihr könnt reinkommen, wenn ihr wollt«, knurrte er. »Wir essen gerade. Es soll niemand sagen, wir wären nicht gastfreundlich. Aber das Gewehr bleibt draußen in eurem … Wagen.« Er sah den heruntergekommenen Einkaufswagen abschätzig an.
    Jonan wechselte einen Blick mit Carya. Sie deutete ein Schulterzucken an, dann ein Nicken. Der Hof und alle umliegenden Ländereien sahen so ordentlich aus, dass sie höchstwahrscheinlich nicht von einer Familie von Psychopathen betrieben wurden, die nur darauf warteten, dass arglose Wanderer vorbeikamen, die sie zum Essen einladen konnten – als Hauptgericht.
    »Einverstanden«, sagte Jonan und legte sein Gewehr zurück in den Wagen. Ohne Munition war es ohnehin wenig wert. Vielleicht hatte er ja Glück, und es handelte sich bei dem Mann um einen desertierten arcadischen Templer. Dann hatten sie etwas gemeinsam. Ganz abwegig war der Gedanke nicht. Die Front zwischen dem Lux Dei und den Truppen des Mondkaisers verlief nur wenige Tagesreisen südlich von hier.
    Der Mann machte eine einladende Kopfbewegung. »Dann kommt. Übrigens: Mein Name ist Reno.« Er streckte Jonan die Rechte hin, die dieser ergriff, bevor er sich und seine Begleiter vorstellte.
    Sie folgten dem Mann ins Innere. Durch einen kurzen Korridor gelangten sie in einen Speiseraum. Dort saßen zu Jonans Überraschung sechs Personen. »Leute, wir haben Besuch«, verkündete der Mann, während er zu seinem Platz am Kopf der Tafel ging. »Das sind Jonan, Carya, Pitlit und Elje. Sie kommen aus Paris, wollen nach Firanza, und der unwahrscheinlichste aller Zufälle hat sie durch unser Tal geführt.« Er deutete auf die Anwesenden. »Mein Bruder Catho, meine Schwester Raina, ihr Mann Collet und ihre drei Söhne Cris, Arturo und Andra.«
    »Freut mich«, sagte Jonan und räusperte sich ein wenig unbehaglich, als alle Anwesenden ihn und die anderen unverhohlen anstarrten. Wie es aussah, bekamen sie nicht häufig Besuch. Vor allem die drei Jungen, die zwischen vierzehn und achtzehn Jahre alt sein mochten, machten große Augen, als sie Carya erblickten. Jonan konnte es ihnen nicht verdenken. Womöglich war Carya die erste junge Frau, die sie in ihrem Leben zu Gesicht bekamen. Und auch wenn sie schmutzig und von der langen Reise ein wenig verhärmt wirkte, ließ sich ihre außergewöhnliche Schönheit nicht verleugnen.
    Carya schienen die Blicke der Jungs ebenfalls nicht zu entgehen, denn sie hakte sich, wie um klarzustellen, dass sie vergeben war, bei Jonan unter, bevor sie den Anwesenden ein Lächeln schenkte. »Danke, dass wir Ihre Gäste sein dürfen.«
    Reno schlug einem seiner Neffen, Cris, mit den breiten Händen auf die Schultern. »Hockt nicht da und glotzt blöd, holt Stühle und noch einen Tisch.«
    Sofort sprangen die drei auf und

Weitere Kostenlose Bücher