Das geraubte Paradies
machte sie nervös.
Freeman nickte unterdessen, woraufhin das Trio kehrtmachte und den Warteraum durch eine zweite Tür verließ.
»Was hat er gesagt?«, wollte Carya wissen.
»Er hat den nachdrücklichen Wunsch geäußert, dass wir dein Bett im Hospital freimachen, wenn du gesund bist. Du sollst ein Armband bekommen und vorläufig ein Appartement in der Sichel beziehen, dem halbkreisförmigen Wohnkomplex dort drüben.« Freeman deutete durchs Panoramafenster auf den großen Terrassenbau, der Carya bereits zuvor aufgefallen war.
»Was für ein Armband ist das?«, fragte Carya, als sie sich auf den Weg zurück machten.
»Ein Überwachungsarmband«, antwortete der Wissenschaftler. »Es wird so programmiert, dass es dich warnt, wenn du die für dich freigeschalteten Bezirke verlässt und dich in Sperrgebiet begibst. Außerdem kannst du so von der Zonengarde verfolgt werden. Damit müssen sie dich nicht einsperren oder einen Wachmann für dich abstellen.«
»Aber ich bin im Grunde eine Gefangene?«, hakte Carya nach.
»Ein Gast unter besonderer Beaufsichtigung«, verbesserte Freeman. »Ich rate dir, einfach nicht darüber nachzudenken. Das Armband stört nicht. Solange du in den Bereichen bleibst, wo du dich aufhalten darfst, wirst du es gar nicht bemerken. Oder möchtest du lieber eingesperrt sein?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Dann holen wir jetzt am besten deine Sachen, passen dir ein Armband an und danach fahre ich dich zur Sichel.«
Sie begaben sich zu einem Lagerraum mit mehreren Spinden, wo sich Freeman von einem Pfleger Caryas ursprüngliche Kleidung, die leere Provianttasche, die Wolldecke und ihren Anhänger geben ließ, den sie sogleich wieder über den Kopf streifte. Es mochte albern sein, dass sie so sehr an dem Schlüssel zu ihrer Kapsel hing, der mitnichten hübsch aussah und darüber hinaus auch keine Funktion mehr erfüllte, seit Carya das Innenleben ihres Gefährts zerstört hatte. Trotzdem mochte sie ihn, und wenn auch nur deshalb, weil er sie an ihre Mutter erinnerte, die ihn ihr in der Nacht, die alles verändern sollte, heimlich in den Schuh gelegt hatte.
Anschließend gingen sie ins Erdgeschoss des Gebäudes, um für Carya dieses ominöse Armband abzuholen, das sie zukünftig tragen sollte. Auf dem Weg überprüfte Carya unauffällig ihre Hosentasche. Das Schnappmesser fehlte, der Brief an ihre Eltern steckte aber noch zusammengefaltet darin.
Aber ich wette, sie haben ihn gelesen
, ging es Carya durch den Kopf. Sie erinnerte sich nicht mehr genau, was sie damals auf dem Rastplatz neben der Handelsstraße in jener Gewitternacht geschrieben hatte, aber für die Erdenwacht war es sicher ohne Belang.
Während sie auf den Ausgang des Hospitals zugingen, stiegen erneut Gedanken an Flucht in Carya auf. Sobald sie das Armband trug, war sie für die Ordnungskräfte der Schwarzen Zone auffindbar, hatte Freeman gesagt. Also war jetzt vielleicht ihre letzte Möglichkeit, sich aus dem Staub zu machen.
Aber wohin soll ich fliehen?
, dachte sie.
Ich weiß nicht, wo man Pitlit gefangen hält, ich habe keine Ahnung, in welcher Richtung der Pass liegt, der mich zu Jonans Leiche führen müsste. Und was mit Elje geschehen ist, kann ich auf eigene Faust und ohne Hilfsmittel auch kaum herausfinden.
Andererseits existierten im Tal der Erdenwacht Fahrzeuge und bestimmt auch Karten der umgebenden Berge. Wenn sie einen der Bewohner in ihre Gewalt brachte, konnte sie ihn vielleicht dazu zwingen, ihr zu helfen, von hier fortzukommen. Dann hingegen würde sie Pitlit zurücklassen müssen, denn er befand sich zweifellos im Gewahrsam der Zonengarde und gegen die hatte Carya keine Chance.
Das kann ich nicht machen
, erkannte sie.
Er lebt nur noch, weil er irgendwie zu mir gehört. Wenn ich verschwinde, bringen sie ihn um. Das hätte Jonan niemals gewollt. Aber ich muss doch was tun!
Auf einmal fiel ihr etwas ein. »Doktor Freeman«, wandte sie sich an ihren Begleiter.
»Ja, Kind.«
»Können Sie mir noch einen Gefallen tun?«
Freeman blickte sie freundlich an. »Welchen denn?«
»Würden Sie hinaus zum Pass fahren, wo wir gefunden wurden, und nachschauen, ob mein Freund Jonan noch dort liegt? Ob lebendig oder tot, bitte bringen Sie ihn her. Er …« Sie stockte und musste sich sammeln. »Wir waren …« Erneut wallten Schmerz und Trauer in ihr empor und erstickten jedes weitere Wort.
Der greise Wissenschaftler nickte verständnisvoll. »Eigentlich darf dort niemand von uns hin – also niemand außer
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