Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
Vom Netzwerk:
nötig«, gab der greise Wissenschaftler zurück. »Die Legende von der Schwarzen Zone hat die Jahre überdauert und ist stetig gewachsen. Jeder, der auch nur die ersten schwarzen Wiesen und toten Bäume sieht, macht kehrt und schaut nicht zurück. Und die wenigen, die besonders dreist oder dumm waren …« Er brach ab und zuckte mit den Schultern. »Es gefällt mir auch nicht, aber das Werk, das wir hier vollbringen, erfordert manchmal seinen Preis.«
    »Sie reden hier über meinen Freund Jonan!«, begehrte Carya auf.
    Beschwichtigend hob Freeman die Hände. »Ich weiß, ich weiß. Und es tut mir auch schrecklich leid. Doch was soll ich machen? Was geschehen ist, ist geschehen. Ich kann ihn nicht zurückbringen. Immerhin konnte ich die Zonengarde überzeugen, den Jungen am Leben zu lassen. Dymond hätte ihn am liebsten gleich getötet, um sich unnötigen Ärger zu ersparen. Aber wir sind keine Barbaren, wir sind besser als die marodierenden Banden draußen in der Wildnis. Das musste ich dem Kreis und dem guten Oberst zwar noch einmal nachdrücklich in Erinnerung rufen, aber sie haben sich meinem Appell gebeugt, sodass nun zumindest ihr beide noch lebt.«
    Erschrocken nahm Carya diese Worte zur Kenntnis. Ihr war nicht bewusst gewesen, wie knapp der Straßenjunge dem Tod von der Schippe gesprungen war. Gleichzeitig erkannte sie auch, dass Freeman nicht ihr Feind war, genauso wenig wie die meisten anderen Leute an diesem Ort. Im Grunde konnte sie es ihnen schlecht zum Vorwurf machen, dass sie ihre Grenzen zu schützen versuchten. Nichts anderes machte der Lux Dei, wenn er bewaffnete Wachen auf den Wall von Arcadion stellte, um die Ausgestoßenen des Ödlands abzuschrecken und, wenn nötig, auch abzuwehren. Jahrelang hatte sie sich nichts dabei gedacht.
    Doch je länger sie selbst zu den Ausgestoßenen und Gejagten gehörte, desto mehr hatte sich ihre Perspektive verändert. Heute sah sie die Ungerechtigkeit und die Unterdrückung, die von Machtgruppen wie dem Lux Dei ausgingen, und auch die Tyrannei von Einzelnen, wie etwa dem Sohn des Mondkaisers. Deshalb konnte und wollte sie das Handeln der Erdenwacht nicht entschuldigen. Es war schön und gut, dass sie ihr kleines Paradies in den Bergen schützen wollten – aber wenn es auf den Leichen Unschuldiger aufgebaut war, lief hier doch etwas falsch!
    »Ich erwarte nicht von dir, dass du das alles sofort verstehst«, sagte Freeman, der Caryas Gedanken zu erraten schien. »Ich verlange erst recht nicht, dass du uns einfach so verzeihst. Nur um eines möchte ich dich bitten: Gib uns eine Chance. Wie gesagt, wir sind keine Barbaren. Und wir sind nicht die Bösen in dieser Geschichte. Wir tun viel Gutes für die Welt, auch wenn es kaum jemand weiß.«
    Carya runzelte die Stirn. »Sie meinen, Sie schicken jemanden wie mich an den Hof des Mondkaisers – eine junge Frau, die das Herz des Prinzen gewinnen und ihn heiraten soll, nur um ihn irgendwann, wenn es Ihnen passt, umzubringen?«, fragte sie. »Handeln so die Guten in der Geschichte? Was soll das überhaupt? Was hat die Erdenwacht davon?«
    Der greise Wissenschaftler musterte sie mit einer Mischung aus Faszination und Erschütterung. »Du hast dich wirklich ganz erstaunlich entwickelt«, murmelte er.
    »Sie weichen mir aus.«
    »Nein, das tue ich nicht. Ich …« Er brach ab, und sein Blick glitt an Caryas Schulter vorbei. Seine Miene verschloss sich, und sein Tonfall wurde kühler. »Das ist Politik und betrifft uns nicht.« Freeman stand auf und berührte Carya am Arm. »Komm, Kind, wir gehen. Du musst auf dein Zimmer zurück.«
    Als Carya aufstand und sich umdrehte, sah sie, dass ein beleibter, grauhaariger Mann den Raum betreten hatte. Er wurde von zwei jüngeren Männern begleitet, deren Kleidung an die von Oberst Dymond erinnerte. Auf seiner breiten Stirn bildete sich eine steile Falte, als er näher kam. Er sprach Freeman auf Albionisch an, das die gängige Sprache hier zu sein schien.
    »Ich habe Carya … Aurelie Eins … bloß unser Tal gezeigt, Rat Montasano«, antwortete Freeman auf Arcadisch.
    Montasano musterte Carya kritisch. Ohne den Blick von ihr abzuwenden, sagte er erneut etwas zu Freeman.
    »Nein, sie ist noch nicht ganz gesund, aber wie Sie wissen, regenerieren sich diese speziellen Invitros besonders schnell.«
    Ihr Gegenüber nickte und brummte etwas. Carya nahm sich vor, Freeman um Lehrmaterial für die albionische Sprache zu bitten. Dass sie nicht verstand, was um sie herum gesprochen wurde,

Weitere Kostenlose Bücher