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Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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erkannte sie, dass der Glanz des Mondkaisers im Vergleich hierzu die Pracht eines Bettlerkönigs in einer Welt der Besitzlosen war. Der Reichtum von Château Lune war ohne Zweifel atemberaubend gewesen, doch die Bewohner des Schlosses hatten ihn allzu sehr zelebriert, als müssten sie sich Tag für Tag aufs Neue davon überzeugen, wie gut es ihnen ging.
    Hier, im verborgenen Tal der Erdenwacht, wurde dem phänomenalen Luxus, der weit über Silberbesteck und livrierte Diener hinausging, kaum Beachtung geschenkt. Ein großes Zimmer mit elektrischem Licht, einer eigenen Nasszelle und riesigen Fenstern, die den Blick auf eine blühende Gartenterrasse freigaben, wurde als
einfache Bleibe
bezeichnet.
Sie leben wirklich wie im Paradies
, dachte Carya.
    Freeman räusperte sich. »Nun ja, ich gehe dann mal. Ich habe noch Dinge zu erledigen. Um deine Freunde kümmere ich mich. Oh, und du brauchst keinen Schlüssel für dieses Zimmer. Ich habe die Schlossautomatik mit deinem Armband verknüpft.«
    »Ja … äh … danke.« Sie drehte sich zu dem greisen Wissenschaftler um. »Danke für alles.«
    »Keine Ursache«, erwiderte Freeman und wandte sich der Tür zu, doch im Türrahmen drehte er sich noch einmal um. Auf seiner Miene lag unvermittelt tiefer Ernst. »Warum bist du gekommen, Carya? Ich meine, zu uns, ins Tal?«
    Einen Moment lang blickte Carya den Wissenschaftler – ihren »Vater« – stumm an. Sie traf eine Entscheidung. »Ich wollte meine Schöpfer kennenlernen.«
    »Und wozu?«
    »Um sie zu fragen, ob sie sich für Götter halten, die Leben geben und nehmen dürfen, wie es ihnen gefällt.«
    Freeman senkte ein wenig den Kopf. »Es tut mir leid«, murmelte er.
    »Ja«, sagte Carya, »mir mittlerweile auch. Ich hätte niemals herkommen sollen. Wie geht es denn jetzt überhaupt mit Pitlit und mir weiter?«
    Ihr Gegenüber schürzte die Lippen, bevor er wieder aufschaute. In seinen dunklen Augen glänzte Sorge. »Ich weiß, dass du in Paris warst, auf Château Lune.«
    »Botschafter Cartagena hat mit Ihnen gesprochen?«
    »Ja, und Magister Milan auch. Sie waren sich unsicher, ob du wirklich Aurelie Eins bist, und sie erbaten Informationen und Rat von uns.«
    Carya musste an das Funkgerät denken, das sie in dem Globus in Magister Milans Zimmer gefunden hatte, bevor es von Julion Alecander entfernt worden war. »Und?«
    »Inzwischen haben wir zu beiden den Kontakt verloren. Und der Mondkaiser verbündet sich mit dem Lux Dei im Kampf gegen den König von Austrogermania. Es geraten Dinge in Bewegung, die dem Rat nicht gefallen, und du bist irgendwie darin verstrickt. Der Rat traut dir nicht.«
    »Glauben Sie mir, wie es scheint, weiß ich von den Dingen, die um mich herum geschehen, selbst am wenigsten. Meine Rolle in den Vorkommnissen ist lächerlich gering.«
    Freeman warf ihr einen letzten gedankenvollen Blick zu und nickte dann. »Wir werden sehen«, sagte er. »Wir werden sehen.«

Kapitel 17
    Jonan schlug die Augen auf und blickte auf einen Schleier aus Weiß.
Bin ich tot?
, fragte er sich, nur um die Frage sogleich als unsinnig zu verwerfen. Wäre er wirklich tot gewesen, hätte er sich weniger Gedanken darüber gemacht. Außerdem hätten seine rechte Hüfte und sein Schädel nicht dermaßen wehgetan.
    Er blinzelte, und als sich sein Blick klärte, erkannte er, dass er hinter einem Vorhang auf einer Pritsche lag. Genau genommen schloss der Vorhang ihn auch nicht vollständig von der Außenwelt ab, sondern es blieb eine Öffnung am Fußende, durch die Jonan auf einen Quergang und jenseits davon eine weitere Pritsche zwischen zwei Vorhängen schauen konnte. Als er den Blick hob, sah er eine hohe Hallendecke über seinem Kopf.
Wo bin ich?
, fragte er sich.
    Ächzend überprüfte Jonan, wie es um ihn bestellt war. Dabei wurden ihm zwei Dinge bewusst: Zum einen war seine Hüfte dick bandagiert, und als er vorsichtig die Hand hob, ertastete er auch einen Verband um seinen Schädel, zum anderen erkannte er die graue Wolldecke, unter der er, halb entkleidet, lag. Sein Herz schlug schneller. »Templerorden«, murmelte er. Das bedeutete Ärger. Er musste sich im Feldlager des Lux Dei befinden, das sie in der Kleinstadt am Fuße des Passes, der in die Schwarze Zone führte, entdeckt hatten. Wahrscheinlich handelte es sich bei der Halle um das Lazarett.
    Neben ihm auf dem Fußboden regte sich etwas. Verwirrt drehte Jonan den Kopf. Zu seiner Überraschung lag dort Elje, zusammengerollt auf einer Wolldecke wie ein Hund, und

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