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Das Gesamtwerk

Das Gesamtwerk

Titel: Das Gesamtwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Borchert
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daß dieser Vorwurf ungerecht ist?
    Als Bericht gibt auch Luise Rinser ihr Gefängnis-Tagebuch (Zinnenverlag) heraus, und ihre Arbeit zeichnet sich durch eine erfreuliche Sachlichkeit aus. Das Buch erschüttert nicht eigentlich, dazu sind wenigstens die körperlichen Leiden zu gering, zu gering im Verhältnis des Frontsoldaten oder des Großstadtmenschen im Luftschutzkeller, aber es zeigt mit eindrucksvoller, grauenhafter Deutlichkeit, daß die Lynchjustiz des Dritten Reichs vor nichts, vor gar nichts halt machte – nicht einmal vor der Frau, vor der Mutter und dem Mädchen. Die Frau war im unritterlichen Reich der Ritterkreuzträger ebenso zum numerierten Häftling geworden wie der Mann, und in der männlichen Bezeichnung «Häftling» für eine Frau offenbart sich der ganze Tiefstand, den unser Volk erreicht hatte – und das der Öffentlichkeit klar gemacht zu haben, ist das Hauptverdienst des Gefängnis-Tagebuches der Luise Rinser.
    Noch ein Bericht von einer Frau liegt vor: «Reise durch den letzten Akt» von Isa Vermehren (Christian Wegner Verlag). Das Buch hätte auch heißen können: Prominenz hinter Stacheldraht. Dieser Bericht aus dem Lager Ravensbrück ist ungewöhnlich interessant und spannend – eben weil die Verfasserin von ihren Begegnungen mit berühmten Persönlichkeiten des In- und Auslandes erzählt. Aber das ist auch zugleich die Schwäche des Buches. Vor lauter berühmten Namen gerät das Leid des namenlosen K Z-Häftlings , der es in der Regel außerordentlich viel schlechter hatte als die prominenten Gefangenen, etwas ins Hintertreffen. Isa Vermehren versucht mit feiner weiblicher Psychologie in das Wesen und hinter die Motive ihrer Wärterinnen zu dringen, aber die oft sehr klugen Sätze, die sie zu dem allgemeinen, menschlichen Problem findet, können leider die etwas auf die Sensationsgier des Publikums zugeschnittenen Details über den Grafen oder die Freifrau von Soundso nicht ganz verdecken. Doch sind beide Bücher, das von Luise Rinser und das von Isa Vermehren, weitaus objektiver und wertvoller als die Aufzeichnungen der männlichen Autoren.
    Den tiefsten und finstersten Punkt der bis jetzt geschriebenen K Z-Literatur erreicht der «aktuelle Entwicklungsroman» von Wittman und Hunter: «Weltreise nach Dachau» . (Kulturaufbauverlag Stuttgart). Und daß er gleich zwei Autoren hat, macht ihn nicht besser. Dieses Buch ist in seiner plump-naiven Geschmacklosigkeit gefährlich für den Leser und gefährlich für den, der sich mit Ehrlichkeit und Abstand bemüht, etwas Entscheidendes über diese Erlebnisse zu sagen. Die Geschmacklosigkeit und damit die Gefahr für das Publikum beginnt bereits mit dem Einband des Buches: Eine stilisierte Südseelandschaft mit einem silbrigen Mond, mit drei einsamen Palmen und einer schwarzhaarigen, schlanken, exotischen Schönheit, die mit sehnsuchtsvollerGebärde nach dem fernen Geliebten Ausschau hält. So wie der Umschlag ist auch der Inhalt. Ein junger Weltenbummler, ausgerechnet aus Thüringen, globetrottet über Land und Meer, bis er endlich nach abenteuerlichen, Karl May-geschwängerten Szenen im Dschungel, in Tahiti landet und hier dem Traum seines Lebens, der Frau Tete, begegnet. Diese Liebesgeschichte, und noch zwei vorangehende Liebeserlebnisse, sind in ihrer Gestaltung derart oberflächlich und primitiv, daß man den Eindruck gewinnt, es handle sich bei diesem «Entwicklungsroman» um eine billige Schundliteratur für die reifere Jugend. Zuletzt gerät der Held aus Thüringen und Tahiti dann noch in die Hände der Gestapo, er macht das durch, was Millionen durchmachten, bringt es dann aber, weil er so ganz besonders tüchtig ist im KZ, zum Küchenkapo und hält es auf diesem nahrhaften Posten bis zum Ende doch noch ganz gut aus.
    Miß- und Molltöne in der K Z-Literatur . Leider haben die Mißtöne bei weitem die Oberhand über die echten Töne und man muß die rein sachlichen Berichte doppelt hoch werten. Hierzu gehört vor allem das schon genannte Buch von Langhoff «Die Moorsoldaten». Langhoff, der jetzt Intendant in Berlin ist, versteht es, bei aller Nüchternheit seiner Aussage, am meisten zu erschüttern. Unvergeßlich ist das ergreifende Bild aus der Moorlandschaft nahe der Nordsee: Die Häftlinge veranstalten einen bunten Nachmittag, einen kleinen Zirkus in dem großen Zirkus, und ihre Zuschauer sind die Wachmannschaften der SS. Die Stimmung der Landschaft, die unüberhörbare Stimme des Leides und des Heimwehs der Gefangenen macht die S

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