Das Geschenk
über das Rauchen und warum sie es trotz aller Warnungen nicht längst hingegeben hätten. Er wußte nicht mehr, was er selbst als Grund angegeben hatte (es hatte wahrscheinlich mit der Idee des Schreibens zu tun, einer romantischen Idee, und dem Nutzen bestimmter Gifte dabei, wenn man nächtelang nichts anderes tat und trotz aller Müdigkeit wach und konzentriert bleiben wolle), aber die kurze Bemerkung von ihm, daß es etwas Zirkushaftes habe, hatte Chuck gefallen. Ein Streichholz anreißen, es aufflammen und brennen sehen mit seinem kleinen, unruhigen, die Sinne bezaubernden Licht. Es werde Licht! Auf dieses unschuldige Vergnügen wolle er einfach noch nicht verzichten. Wenn erst der Tabak brenne und das Streichholz verkohlt im Aschenbecher liege, sei das Schönste geschehen! Was bliebe, sei Rauchen als Gewohnheit, ein Laster, eines der Langeweile wahrscheinlich; oder, und dafür spreche einiges, Ausdruck eines tief in uns verborgenen Leidens, auch wenn jeder mit einer Zigarette im Mund das Gegenteil dessen demonstrieren wolle.
Er hatte, obwohl durch und durch ein Intellektueller,ein Kopf- und Papiermensch, die Gedankenkraft eines Dichters und die Ruhe eines Handwerkers, eines Mannes, der etwas mit seinen Händen tun will. Am liebsten würde er so denken können, mit den Händen.
Ach ja, und noch etwas gab es, das Chuck sehr für seinen Freund einnahm, eine Kleinigkeit, seine Freude über ein Foto, das Chuck mal aus einer Zeitung geschnitten und ihm geschickt hatte und das er nicht etwa sofort entsorgt (und sich trotzdem herzlich bedankt!), sondern mit einer Nadel an der Wand seines Büros befestigt hatte – und da hing es seither. Ein überraschendes, eigentümlich vielsagendes Foto, das damals, es war das Jahr 1993, durch die Weltpresse ging und einen Tennisspieler zeigt, einen einst sehr berühmten Tennisspieler, den Amerikaner Jim Courier, einige Zeit die Nummer eins der Welt, wie er die Erholungspausen beim Seitenwechsel dazu nutzt, in einem Buch zu lesen. Da saß er, sein Markenzeichen, eine weiße Baseballkappe, auf dem Kopf, den Schläger neben sich, die Beine ausgestreckt – und las. Sogar bedankt hatte er sich, mit einer Postkarte. Ungewöhnlich, in der Tat. Nimmt statt einer Banane ein Buch zur Hand! Hat der Kerl Einfälle – und Nerven!
Stimmt, schrieb Chuck (auch auf einer Postkarte) zurück, ich hoffe, Sie schauen sich den Burschen demnächst mal im Fernsehen an, auch wenn Sie, wie ich weiß, Sport für ungesund halten. Chuck erinnerte sich auch an das, was der Tennisstar der Presse gegenüber nach dem Match von sich gab, keine langen Liebeserklärungen, sondern nur: Es war so spannend, ich mußte einfach weiterlesen.
Sein Freund war keiner, der sich lange bitten ließ, zur Sache zu kommen. Ein Vertreter der Pharmaindustriehabe gerade im Verlag angerufen, der ihn, Chuck, für eine Veranstaltung engagieren wolle. Gedacht sei an einen kurzen kleinen Auftritt anläßlich eines geselligen Abends. Einem Essen, vermute ich, einem Firmenessen in einem Restaurant. Er mußte selbst fast lachen. Na ja, sagte er, aber sie zahlen gut.
Sehr gut?
Anständig.
Ich bin teuer, sehr teuer!
Ich habe das angedeutet, ja.
Und?
Was nichts kostet, ist nichts wert, hat er gesagt.
Wahrscheinlich saß sein Freund gerade an seinem Schreibtisch und betrachtete, während er mit ihm sprach, die Spitze eines Bleistifts, mit dem er, wenn er nicht gerade telefonierte, Korrekturen in Manuskripte einzeichnete. Es war ein Kompliment, wenn er beim Lesen die Armbanduhr abgenommen hatte, was bedeutete, daß ihm gefiel, was er las; ihm gefiel auch die symbolische Bedeutung dieser Geste. Der Kunst, hieß das, hat keine Stunde geschlagen. Und dann, das war sein Job, machte er sich an die Aufräumarbeit. Es war ja nicht alles, was auf seinem Tisch landete, mit Quellwasser getauft. Sein Vorgänger, ein tief melancholischer, tief unglücklicher Ungar, wurde krank vor Ärger, wenn ihm Schlampereien vorgelegt wurden, was er nur durch unmäßigen Konsum von bis zu drei Tafeln Schokolade täglich überhaupt überlebte; und auch das nützte nichts, denn er verstarb in mittleren Jahren. Ein an sich selbst verübter Mord! Dazu Zigaretten, die eine noch qualvollere Sucht waren. Da nütztenauch die Tennisstunden, zu denen er sich noch hatte überreden lassen, nichts mehr. Man hat ihn in einem Parkhaus neben seinem Auto gefunden, er wollte gerade einsteigen. Ein Genie des Lesens, einer von einigen, die es noch geben mochte – und niemand
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