Das Geschenk
scheint, und ist glücklich. Ein Zustand reinen Glücks, der die Haut kitzelt, in jede ihrer Poren eindringt und mit Wärme verrückt macht! Nichts anderes versuchte Chuck gerade, und war jetzt ganz in seinem Element. Er hätte am liebsten auch noch die Sonne höchstpersönlich zu Wort kommen lassen, als Komplize, als strahlender ewiger Zeuge zu seinen Gunsten. Und war es nicht so, als müßte man nur kurz das Fenster öffnen, um sie reden zu hören?
Er schloß mit übertriebener Langsamkeit seine Augen und hätte dabei fast seinen Kaugummi verschluckt, und mußte dann selbst lachen. Selbst mit geschlossenen Augen sieht man sie tanzen.
Sie fand den Einfall nicht ganz ohne Charme, und auch die Mühe nicht, die sich ihr Patient gab, unwiderstehlich zu wirken, schüttelte aber, und war sich da ihrer Sache ganz sicher, trotzdem den Kopf. Ich glaube, wir haben ein ganz anderes Problem, wir beide.
Stimmt, sagte Chuck.
Einverstanden, sagte sie, drehte sich zu der Behandlungsliege um, auf die sich Chuck gleich würde legen müssen, und strich das Papier darauf glatt.
Chuck ließ sich Zeit, sich seiner Kleidung zu entledigen. Eine Jeans aufknöpfen, das beherrschte er. Und denGürtel öffnen. Und Knopf für Knopf das Hemd. Es gab ihm einen Bruchteil jener Kompetenz zurück, die ein Mann, der sich auszieht, nicht ganz opfern kann. Und aufgepaßt, Chuck, dachte er, nicht am Ende in Socken herumstehen. Nicht vor ihr, nicht in diesem Zimmer! Nicht wie ein Idiot mit halb heruntergelassenen Hosen dastehen, und nicht in Socken.
Und was ihm dabei sonst noch alles durch den Kopf ging. Und wie es nicht aufhörte. Wie lieben Frauen wie sie? Wie waren sie privat? Auf hoher See sozusagen, wenn der Himmel die Engelsleitern entrollt? Frauen, die, wenn auch beruflich, männliche Genitalien begutachten, sie in die Hand nehmen, befühlen, sie um- und umdrehen? Fügt nicht, was sie da tun, ihrem Leben Schaden zu? Ihrem Lieben, ihrer Fähigkeit zu lieben? Kann die Seele vergessen, was Hände wissen? Was muß nach einem Tag, einer Woche, nach Jahren einer solchen Arbeit nach Feierabend passieren, daß sie das alles, einen Mann, seine Nacktheit, den dunklen Grund auch der eigenen Lebens- und Körpersäfte wieder ernst nehmen? Eigentlich, dachte Chuck in seiner ganzen Hilflosigkeit, sollte man lieber sterben wollen, als diese Lächerlichkeit ertragen zu müssen.
So, sagte sie, nahm ihre Finger von seinem Dings und überreichte ihm einen Becher. Wenn ich nun noch um ein Ejakulat bitten dürfte?
Das auch noch, dachte Chuck.
Es war Vormittag, irgendein Tag einer ganz normalen Woche. Er hörte, was auf der Straße unten los war, den üblichen Lärm. Er sah die Bushaltestelle gegenüber, wo er ausgestiegen war. Und zwischen ihm und der Welt, diees gab, stand sie, die er am liebsten aufgefordert hätte, ihm die Arbeit abzunehmen.
Wie machen Männer das?
Sie zeigte mit dem Kinn auf eine Tür. Sie gehen da rein und machen es.
Aha, sagte er, rührte sich aber nicht von der Stelle. Sie gehen da rein und machen es? Ich meine, einfach so?
Es liegen Zeitschriften aus, sagte sie. Das war deutlich.
Chuck schaute erst sie an, dann den Becher, den sie ihm in die Hand gedrückt hatte, und dann wieder sie. Aha, Zeitschriften! Nette kleine schmutzige Heftchen! Und vermutlich nicht einmal eines der etwas härteren Gangart darunter. Wer, fragte sich Chuck, mag sie ausgesucht, gekauft und damit über ihren praktischen Nutzen, ihre erotische Verwendbarkeit entschieden haben? Doch nicht sie etwa? Oder doch? Und wenn es so war, woher hatte sie ihre Kenntnisse, was Männern Appetit macht, was sie brauchen, um das Gewünschte zu liefern, was ihre Phantasie erregt, und zwar todsicher, sozusagen prompt und zuverlässig? Es waren die armen Samenspender doch wohl angehalten, nicht zu lange herumzutrödeln?
Es war seine letzte Chance. Ob er sie nicht doch einfach packen und in das besagte Zimmer nebenan verfrachten sollte? Ganz nach dem weisen Spruch des Großen Vorsitzenden: Das ist es auch nicht, sich sein ganzes Leben anständig zu verhalten?
Und Sie, sagte Chuck, Sie halten sich da einfach so raus?
Es war, als habe er, wenn auch nur mit Worten, das Verbot der Berührung übertreten, sie mehr noch als mit Blicken zum Duell gefordert. Als Drehbuchautor wäreChuck mit der Szene zufrieden. Das Duell als Basisentwurf der Schöpfung! Oder sollte man es Des Mannes ewige Suche nach Beute nennen? Plötzlich jedenfalls, er spürte, wie es ihm die Nerven im Genick
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