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Das Geschenk der Sterne

Das Geschenk der Sterne

Titel: Das Geschenk der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kruppa
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Prinz Yans Spione sind allgegenwärtig. Manchmal verschwinden Menschen von heute auf morgen, als hätte es sie nie gegeben. Menschen, die sich dazu hinreißen ließen, am falschen Ort zur falschen Zeit die richtigen Worte zu sagen. Ich habe schon mehrmals mit dem Gedanken gespielt, das Land zu verlassen, aber es gibt Menschen in He Jing, die mir ans Herz gewachsen und auf meine Hilfe angewiesen sind. Ich käme mir wie ein eigensüchtiger Feigling vor, wenn ich sie im Stich ließe. Außerdem ist es möglich, daß Prinz Yans Schreckensherrschaft bald beendet sein wird. Schon vor Monaten hat sich ein Geheimbund gebildet, der von Woche
zu Woche stärker wird und das Ziel verfolgt, das Land von seinem unwürdigen, schändlichen Herrscher zu befreien.«
    »Es ist unmöglich, einen Anschlag auf Prinz Yan zu verüben«, wandte Min Teng ein. »Er wird Tag und Nacht von seinen kampfstärksten Soldaten bewacht. Sein Palast gleicht einer Festung, und er verläßt ihn so gut wie nie.«
    »Es mag überaus schwierig sein, aber unmöglich ist es nicht«, entgegnete Kun Liang. »Die Frage ist allerdings, ob sich die Lage im Land unter dem Einfluß eines neuen Herrschers verbessern würde. Macht verdirbt fast jeden Menschen und bringt seine schlechtesten Eigenschaften zum Vorschein.«
    Der Heilkundige stand auf und entzündete drei Laternen, da das Licht im Haus immer mehr von der Dunkelheit des hereinbrechenden Abends verdrängt wurde. Er bereitete einen Tee zu, stellte Kanne und Schalen auf den Tisch und setzte sich wieder zu seinen Gästen.
    »Wer nach Macht strebt, beweist schon durch sein Streben, daß er ihrer nicht würdig sein wird«, sagte Tschuang Tse. »Machtstreben ist immer ein Zeichen mangelnder Weisheit. Deshalb wird es niemals weise, sondern nur mehr oder weniger verdorbene Herrscher geben! In meinem kleinen Dorf habe ich nicht viel von dem gesehen, was in Sung und den Nachbarländern geschieht, aber das, was ich von Menschen gehört habe, die viel gereist und viel erlebt haben, hat mich nicht gerade hoffnungsvoll gestimmt.«

    »Ich teile dein Empfinden«, sagte Kun Liang. »Wir leben in einer Zeit großer Umwälzungen, die sich auf alle Bereiche des Lebens erstrecken. Alles verändert sich mit wachsender Geschwindigkeit, jedoch nicht zum Guten. Die Fürsten und Könige waren ja schon immer darauf bedacht, ihre Streitmächte zu verstärken, doch nun übertreffen sie sich gegenseitig dabei. Sie opfern kaltlächelnd Tausende und Abertausende von Soldaten in blutigen Schlachten, um ihre Macht zu erhalten oder zu stärken. Alle Herrscher führen Krieg gegen andere Länder, verbünden sich miteinander gegen Dritte, um sich dann gegenseitig in den Rücken zu fallen. Manchmal weiß man in diesem ganzen Durcheinander kaum noch, wer gerade wen bekriegt. Der Feind von gestern ist der Verbündete von heute und der Verratene von morgen. Eins zumindest ist beständig: Jeder Fürst, jeder König erstrebt die Vorherrschaft über alle anderen Reiche. Doch es herrscht nicht nur Krieg zwischen, sondern auch in den Ländern: Krieg zwischen den wenigen Reichen und den vielen Armen!«
    Kun Liang unterbrach seine Erklärungen mit einem Seufzer. »Durch den blühenden Handel ist eine neue Klasse von Kaufleuten entstanden, die mit Gegenständen des täglichen Gebrauchs wie Stoffen, Getreide, Salz und mit Metallen, Leder, Holz und Fellen ihre Geschäfte machen. Die reichsten Kaufleute besitzen außerdem große Unternehmen, vor allem Bergwerke und Eisengießereien, stellen immer mehr Arbeiter und Handelsvertreter ein und verfügen über Tausende von
Dschunken und Karren, mit denen sie ihre Waren auf den Flüssen und auf dem Land befördern. Ihr Reichtum und ihre Macht wachsen unaufhörlich. Sie verbünden sich mit den Landesherrschern oder stehen ihnen als Berater zur Seite. Durch diese Entwicklung sind wir unter anderem in den fragwürdigen Genuß des Geldes gekommen, das von den reichen Kaufleuten hergestellt und ausgegeben wird.«
    »Ich habe mich schon öfter gefragt, warum die Metallmünzen, die hier in Sung und in anderen Ländern in Umlauf sind, ausgerechnet die Form eines Messers haben«, sagte Tschuang Tse.
    »Weil ein Messer nützlich ist«, erwiderte Min Teng. »Und Münzen sind es auch. Sie haben uns von der Umständlichkeit des Tauschhandels befreit.«
    »Ein Messer ist aber auch eine Waffe«, stellte Tschuang Tse fest, »und ich sehe, daß das Geld zu einer immer mächtigeren Waffe wird, mit der die Reichen die Armen ausbeuten

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