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Das Geschenk der Sterne

Das Geschenk der Sterne

Titel: Das Geschenk der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kruppa
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stand es da und starrte in die Ferne, als würde es ihn und Tschuang Tse überhaupt nicht bemerken.
    Die Reiter stiegen ab und banden ihre Pferde am Geländer der Terrasse fest.
    Tschuang Tse ging mit langsamen Schritten auf das Mädchen zu und sprach es mit einem Lächeln an: »Wie heißt du?«
    Das Mädchen schien ihn nicht wahrzunehmen, obwohl er drei Schritte vor ihm stand. Es verharrte in seiner seltsamen Erstarrung.
    Tschuang Tse kniete sich auf die Holzbretter der Terrasse und sah dem Mädchen in die Augen, die durch ihn hindurchzublicken schienen.
    »Wo sind deine Eltern?«

    Nichts an dem Gesicht des Mädchens deutete darauf hin, daß es Tschuang Tses Worte hörte.
    Der Weise stand wieder auf. Seine Stirn hatte sich in Falten gelegt.
    »Ist hier jemand zu Hause?« rief er so laut, daß es im Inneren des Hauses deutlich zu hören sein mußte.
    Niemand antwortete, nichts regte sich.
    »Ich werde im Haus nachschauen«, erbot sich Min Teng. »Vielleicht schläft dort jemand so tief, daß er dich nicht hören kann.«
    Tschuang Tse nickte beipflichtend, während sein besorgter Blick auf dem Gesicht des Mädchens ruhte.
    Als Min Teng nach einer Weile mit bestürzter Miene zu ihm zurückkehrte, ohne ein Wort zu sagen, schickte Tschuang Tse sich an, selbst ins Haus gehen, doch Min Teng stellte sich ihm entgegen. »Geh nicht hinein! Es genügt, daß ich es gesehen habe.«
    »Was hast du gesehen?«
    Min Teng mußte tief durchatmen, bevor er antworten konnte. »Die übel zugerichteten Leichen einer Frau und eines Mannes, die mit Dolchstößen getötet wurden. Die Frau ist mißhandelt worden.«
    Betroffen sah Tschuang Tse zu Boden und stöhnte.
    »Es sind sicherlich die Eltern des Mädchens«, sagte Min Teng leise. »Vielleicht hat es gesehen, wie sie erstochen wurden. Womöglich ist es erst nach Hause gekommen, als die Greueltat schon geschehen war, und hat seine Eltern tot aufgefunden. Wie auch immer: Was das Mädchen erlebt hat, ist der Grund für seine Erstarrung.«
    Tschuang Tse atmete tief durch und entschied: »Wir können das Kind nicht hier lassen. Es braucht dringend Hilfe. Wir nehmen es nach He Jing zu meinem Freund Kun Liang mit. Er ist ein hervorragender Heilkundiger. Wenn jemand diesem Mädchen helfen kann, dann ist er es.«
    Tschuang Tse ging auf das Mädchen zu und nahm es bei der Hand. Widerstandslos ließ es sich von ihm zu den Pferden führen.

EIN WIEDERSEHEN

    Von der Kuppe des Hügels, den die Reiter kurz vor Sonnenuntergang erreichten, bot sich ihnen eine gute Aussicht auf die Stadt He Jing, deren Häuser sich in mehreren Reihen an den Fluß Guo Hong schmiegten, als suchten sie Schutz an seinem stetig fließenden Wasser. Dschunken und Boote aller Größen und Farben waren an den Ufern festgemacht, andere fuhren in beiden Richtungen auf dem Fluß umher.
    »Die Stadt ist schnell gewachsen«, brach Tschuang Tse das Schweigen, das zwischen ihnen herrschte, seit sie das Elternhaus des Mädchens verlassen hatten. Es saß
vor Min Teng auf dem Rappen, scheinbar gleichgültig gegenüber allem, was mit ihm geschah.
    Bald erreichten sie die ersten Häuser von He Jing und lenkten ihre Pferde auf den breiten, flußaufwärts führenden Uferweg, wo ein buntes, lautes Treiben herrschte. Händler aller Arten rühmten wort- und gestenreich ihre Waren. Betreiber von Garküchen hielten Ausschau nach hungrigen Gästen. Angler priesen ihre frisch gefangenen Fische an. Bauern verkauften Nutztiere, Reis, Obst und Gemüse. Sammler boten Pilze, Beeren und Nüsse feil. Mit Waren aller Art beladene Ochsenkarren bahnten sich einen Weg durch das dichte Menschengedränge.
    In diesem betriebsamen Wirrwarr von Stimmen, Gesichtern, Farben und Gerüchen nahm kaum jemand Notiz von den Ankömmlingen. Jeder hier war zu sehr mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, um einen genaueren Blick auf zwei berittene Reisende und ein Mädchen zu werfen.
    »Schau!« sagte Tschuang Tse nach einer Weile und wies auf ein Haus, das nicht weit vom Flußufer entfernt auf einem kleinen Hügel stand. »Dort wohnt mein Freund!«
    Die Reiter stiegen von den Pferden. Min Teng hob das Mädchen von seinem Rappen und setzte es auf dem Boden ab, wo es sich nicht vom Fleck rührte.
    »Als wäre alles Leben aus ihr entwichen«, murmelte Tschuang Tse bekümmert und nahm das Mädchen bei der Hand.

    Min Teng ergriff die Zügel der Pferde. So gingen sie den schmalen Weg zu Kun Liangs Haus empor und blieben vor der geräumigen Terrasse stehen.
    »Kun Liang!«

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