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Das Geschenk der Sterne

Das Geschenk der Sterne

Titel: Das Geschenk der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kruppa
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und unterdrücken.«
    »Dem stimme ich zu«, sagte Kun Liang. »Welche Form das Geld auch immer haben mag, es wird von Menschen als Waffe gegen Menschen eingesetzt. Hier in Sung haben wir messerförmige Münzen. In anderen Ländern gibt es runde Münzen mit Löchern in der Mitte und Münzen in der Form eines Eisenspatens. Die Formen des Geldes werden sich mit der Zeit ändern, wie sich alles ändert, was Menschen erfinden, aber der Inhalt des Geldes wird immer derselbe sein: Macht über andere Menschen! Die armen Bauern leiden schon jetzt
unter der wachsenden Macht der reichen Handelsunternehmer und Großgrundbesitzer. Sie verschulden sich mehr und mehr und werden früher oder später von ihrem Land vertrieben. Um zu überleben, müssen sie sich im Bergbau, in Eisengießereien, Salinen und handwerklichen Betrieben verdingen. Diese Entwicklung wird letztlich zum Zerfall der bäuerlichen Familien und der alten Dorfgemeinschaften führen. Und das ist sehr bedauerlich, denn es wird die Menschen einsam machen und ihre Seelen verarmen lassen.«
    »Du hast das richtige Wort benutzt«, sagte Tschuang Tse, »die landlosen Bauern müssen sich verdingen. Sie müssen sich zu Dingen machen lassen, zu Arbeitsmaschinen, sie müssen sich entmenschlichen lassen, nur um genug zu essen und ein Dach über dem Kopf zu haben.«
    Kun Liang seufzte erneut. »Ich lebe schon seit über zwanzig Jahren in He Jing. Als ich mich hier als Heilkundiger niederließ, war es noch ein ruhiges Dorf. Jetzt ist es eine betriebsame Stadt. Die Menschen hier haben zwar mehr Geld als früher, aber weniger Zeit. Sie sind öfter krank als damals, ihr Mitgefühl und ihre Zufriedenheit haben nachgelassen, ihre Eigensucht und innere Unruhe haben zugenommen. Viele arbeiten für den Großkaufmann Hong Wang, der mit allem handelt, womit er Gewinn erzielen kann. Hong Wang ist ein schlauer und gewissenloser Geschäftsmann, getrieben von unersättlicher Geldgier. Er schläft nachts nur wenig, und den Rest seiner Lebenszeit widmet er seinen Geschäften. Von dem Geld, das er bereits besitzt, könnten Tausende
von jungen Menschen bis ans Ende ihrer Tage leben, doch er will immer noch mehr!«
    »Er mag ein schlauer Kaufmann sein, aber er ist ein dummer Mensch, ein törichter Sklave seiner Besitzgier!« stellte Tschuang Tse fest.
    Kun Liang nickte zustimmend. »Hong Wang allerdings ist felsenfest davon überzeugt, daß er der klügste und bedeutendste Mann dieser Stadt ist, weil er der reichste und mächtigste ist. Dabei ist er nur ein gewöhnlicher Mensch, nicht einmal ein guter, und sein geschäftlicher Erfolg hat seine schlechten Eigenschaften noch verstärkt.«
    »Wir alle«, sagte Tschuang Tse, »ob Kaufleute oder Bettler, ob Fürsten oder Bauern, ob Narren oder Weise, sind nichts weiter als Sandkörner im Wind der Schöpfung. Aber warum erzählst du uns von einem gewöhnlichen, nicht einmal guten Menschen?«

DIE VERKAUFTE FRAU

    Kun Liang goß seinen Gästen Tee ein, bevor er auf Tschuang Tses Frage antwortete: »Dieser gewöhnliche, schlechte Mensch droht das Leben eines außergewöhnlichen, guten Menschen zu verunstalten: einer jungen Frau, die für mich wie eine Tochter ist. Vor einer Woche hatte sie ihren neunzehnten Geburtstag. Sie hat mich oft auf meiner Suche nach Heilpflanzen begleitet und kennt ihre Wirkungen und Anwendungsweisen inzwischen fast schon so gut wie ich. Auch wenn ich ihr noch nicht mein ganzes Wissen vermitteln konnte und es ihr zwangsläufig an Erfahrung mangelt, könnte sie durchaus schon selbständig als Heilkundige tätig sein. Wir haben lange und tiefe Gespräche miteinander geführt,
über die Heilkunde, das Leben, die Menschen, über das Tao. Trotz ihrer Jugend denkt sie hoch und weit. Sie hat ein heiteres Gemüt, ein sonniges Lächeln und die unterschiedlichsten Begabungen. Wenn sie singt, fühlt meine Seele sich reich beschenkt. Sie ist das einzige Kind einer Näherin, die nicht weiß, was sie an ihrer Tochter hat und was sie ihr schuldet. Wenn man die beiden miteinander sieht, erkennt man sofort ihre körperliche Verwandtschaft, doch ihre Seelen könnten sich kaum fremder sein. Leider ist Yu Lins Vater vor einigen Jahren gestorben. Wenn er noch lebte, wäre es nie so weit gekommen. Auch wenn er sie vielleicht nicht ganz verstanden hätte: Er hätte zumindest ihren Willen geachtet.«
    »Was will sie denn?« fragte Tschuang Tse.
    »Ich sage dir, was sie nicht will: die dritte Frau Hong Wangs werden! Wie oft hat Yu Lin ihre Mutter

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