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Das Geschenk der Sterne

Das Geschenk der Sterne

Titel: Das Geschenk der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kruppa
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angefleht, dem Werben Hong Wangs zu widerstehen und seine Geschenke nicht anzunehmen! Aber diese hartherzige, geldgierige Näherin hat sich schließlich kaufen lassen! Hong Wang hat sie mit der Waffe des Geldes besiegt.«
    Kun Liangs Miene drückte Ärger aus. »Und nun will sie ihre Tochter an ihn verkaufen, obwohl sie weiß, daß Yu Lin nichts als Verachtung für Hong Wang empfindet! Sie werde ihn mit der Zeit schon lieben lernen, behauptet sie. Als sei Liebe etwas, das man lernen könne! In einer Woche soll sie zu Hong Wang ziehen, der sie nicht einmal liebt, sondern sich nur mit ihrer Schönheit
schmücken will. Dann wird Yu Lin allerdings nicht mehr hier sein, da sie sich entschlossen hat, aus He Jing zu fliehen. Ich werde darunter leiden, sie nicht mehr in meiner Nähe zu haben. Aber ich würde noch mehr darunter leiden, hilflos mit ansehen zu müssen, wie ihre Seele und ihr Körper als dritte Frau dieses größenwahnsinnigen, gewissenlosen Kaufmanns geschändet würden. Deshalb unterstütze ich ihren Fluchtwillen.«
    »Wohin will Yu Lin fliehen?«
    »An einen Ort, wo sie vor der Entdeckung durch Hong Wangs Handlanger sicher ist«, antwortete der Heilkundige auf Tschuang Tses Frage. »Aber wo wäre sie das schon? Seine Beziehungen reichen bis in die entlegensten Dörfer von Sung. Er wird sie im ganzen Land suchen lassen und sie für ihre Flucht bestrafen, wenn er sie findet, denn er betrachtet sie schon jetzt als sein Eigentum, als eine Ware, die er angezahlt hat. Ihre Flucht wird unabhängig davon nicht ungefährlich sein in diesen wirren Zeiten. Ich werde mir große Sorgen um sie machen. Überall im Land gibt es Wegelagerer, denen Yu Lin auf keinen Fall in die Hände fallen darf. Ich habe ihr noch gestern angeboten, sie ein Stück auf ihrem Weg zu begleiten, doch sie will nicht, daß ich in Verbindung mit ihrer Flucht gebracht werden kann. Sie befürchtet, daß Hong Wang sich nach meiner Rückkehr an mir rächen würde, denn auf seine Rachsucht ist Verlaß. Noch kürzlich hat er den Sohn eines Schreiners von seinen Schergen übel zurichten lassen, weil er sich heimlich mit seiner ältesten Tochter getroffen hat. Die drei Männer, die
den armen Jungen überfallen haben, trugen Masken, aber er hat die Stimme eines der Handlanger erkannt.«
    »Warum geht der Schreinersohn nicht zum Richter?« fragte Min Teng.
    Kun Liang lachte bitter. »Der Richter würde nichts unternehmen, da er von Hong Wang bestochen wird, wie alle einflußreichen Männer in dieser Stadt. Es ist eine Schande, aber ...«
    Bevor Kun Liang weitersprechen konnte, klopfte jemand dreimal an seine Haustür, und seine eben noch empörte Miene verwandelte sich in ein Lächeln.
    »Komm herein, Yu Lin!« rief er.

EINE ZUSAMMENKUNFT VON FLÜCHTLINGEN

    Als Yu Lin das Haus betrat, war es Min Teng, als habe er sie irgendwo schon einmal gesehen, obwohl er ihr noch nie begegnet sein konnte. In dem Dorf, wo er bis zu dem Tod seiner Eltern gelebt hatte, gab es keine junge Frau von einer solchen Schönheit und Anmut. Und im Palast des Prinzen Yan hatte er nur Männer um sich gehabt, Leibwächter der Palastgarde, die oft und gern über liebreizende Frauen redeten – vor allem wohl, weil sie nie welche zu Gesicht bekamen, denn nur die Eunuchen hatten Zugang zu dem Teil des Palastes, den Prinz Yans Frauen bewohnten.
    Der zweite Eindruck, den Min Teng von ihr gewann, war nicht weniger rätselhaft. Obwohl nach wie vor nur
die drei Laternen brannten, schien es ihm, als sei es heller im Raum geworden, seitdem Yu Lin eingetreten war.
    »Yu Lin! Gerade haben wir von dir gesprochen«, sagte Kun Liang mit freudigem Gesicht. »Komm und geselle dich zu uns! Dies ist mein Freund Tschuang Tse. Und der junge Mann heißt Min Teng. Dieses schlafende Mädchen haben sie mir gebracht.«
    Yu Lin verbeugte sich lächelnd vor Kun Liang und seinen Gästen und ließ sich auf der noch freien Sitzmatte am Tisch nieder.
    Ihre ersten Blicke und Worte galten Tschuang Tse. »Ich freue mich sehr, den Weisen kennenzulernen, von dem Kun Liang mir so viel erzählt hat. Ich habe mir schon oft gewünscht, dir einmal zu begegnen.«
    »Ich erwidere deine Freude«, sagte Tschuang Tse.
    Yu Lins Blick, der von Sanftmut, aber auch von Mut zeugte, fiel auf Min Teng. »Bist du ein Freund Tschuang Tses?«
    »Das wäre ich gerne, doch ich bin nur sein Begleiter.«
    »Wer ist dieses Mädchen?«
    »Wir kennen seinen Namen nicht«, antwortete Kun Liang. »Es hat seine Eltern durch ein grausames Verbrechen

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