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Das Geschenk der Sterne

Das Geschenk der Sterne

Titel: Das Geschenk der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kruppa
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Leid und Elend geben, denn der neue Herrscher, der sich Erster Erhabener Gottkaiser nennen wird, hat ein Herz aus Stein.«
    »Was hast du gesehen?« fragte Tschuang Tse.
    »Vieles, das mein Herz schwer gemacht hat. Eigentlich habe ich es nicht gesehen, sondern gehört. In meinem Wahrtraum hörte ich zwei Männer miteinander sprechen, und ich berichte nur, was sie sagten. Der Kaiser wird zwar die Kriege der untereinander verfeindeten Reiche beenden und Frieden schaffen, aber er ist kein friedliebender Mensch, sondern ein Dämon in Menschengestalt. Nur durch seine unmenschliche Grausamkeit und die Überlegenheit seiner Armeen gelingt es ihm, die Reiche zu vereinen.«
    »Woher stammt dieser Kaiser?«
    »Aus dem Reich der Tjin. Sein Name ist Ying Tscheng«, erwiderte Yu Lin auf Min Tengs Frage.
    Tschuang Tse warf ihr einen überraschten Blick zu. »Tjin ist weder das größte noch das reichste Land der streitenden Reiche.«
    »Und doch wird Tjin den jahrhundertelangen Krieg gewinnen, weil es über die wirksamste Machtordnung verfügt«, sprach Yu Lin weiter. »Wenn König Ying Tscheng sich zum Ersten Erhabenen Gottkaiser krönen läßt, ändert er seinen Namen und nennt sich Tjin Schi
Huangdi. Um die Vorgänge im Reich zu ordnen, führt er viele neue, strenge Gesetze und Vorschriften ein, die letztlich nur ein Ziel haben: seine vollständige Macht über das Land zu festigen. So darf niemand außer seinen Soldaten im neuen Großreich noch Waffen tragen. Verstöße gegen die Gesetze werden mit dem Abhacken einzelner Körperteile oder dem Tod bestraft.«
    Während Yu Lin mit leiser Stimme sprach, hielt sie die Augen geschlossen. Ihr Mienenspiel deutete darauf hin, daß die Dinge, über die sie sprach, ihr Herz bewegten.
    »Tjin Schi Huangdi führt neue, im ganzen Großreich geltende Münzen ein, mit einem Loch in der Mitte, damit man sie auf Schnüre aufziehen kann. Er verordnet, daß die Schriftzeichen des Reiches Tjin von allen Bewohnern des neuen Reiches benutzt werden, wodurch der weitaus größte Teil der alten Schriftzeichen verlorengeht. Schon zu Anfang seiner Herrschaft läßt er verurteilte Verbrecher ein gewaltiges Grabmal errichten, in dem er nach seinem Tod ruhen will, bewacht von Tausenden, in unterirdischen Gängen stehenden Tonsoldaten. Und er läßt eine große Grenzmauer bauen, die das Reich vor Feinden aus dem Norden schützen soll, eine gewaltige Mauer, die so lang ist, daß ein Wanderer über ein halbes Jahr braucht, um von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende zu gelangen. Um für den Mauerbau über genug Arbeiter zu verfügen, erläßt der Kaiser ein Gesetz, das ihm ermöglicht, alle männlichen Bauern im Alter zwischen siebzehn und sechzig für einen Monat im Jahr zur Zwangsarbeit zu verpflichten. Doch dies reicht
ihm nicht, weil bei den beschwerlichen Bauarbeiten viele Bauern an Unterernährung, Überlastung und Krankheit sterben. Deshalb zwingen seine Soldaten und Beamten überall im Reich unschuldige Männer wegen angeblicher Vergehen zum Bau an der langen Mauer, was dazu führt, daß in vielen Gebieten bald nur noch Frauen und Kinder leben und die Wirtschaft durch ausbleibenden Handel fast zum Erliegen kommt.«
    Yu Lins Hände begannen, leicht zu zittern. Sie atmete tief durch und stöhnte, wobei sie nach wie vor ihre Augen geschlossen hielt.
    »Wer waren die beiden Männer in deinem Wahrtraum, deren Gespräch du gehört hast?« fragte Min Teng.
    »Zwei kranke, ausgemergelte Männer, denen bewußt war, daß sie nicht mehr lange leben würden.« Yu Lin seufzte, während ihr Tränen über die Wangen liefen. »Es war eine kalte Nacht, doch sie trugen nur Fetzen und hatten keine Schlafdecken. Sie lagen, vor Kälte zitternd, in einer sehr langen Reihe von Zwangsarbeitern, die von Soldaten bewacht wurde, und flüsterten miteinander, während die anderen schliefen, immer mit der Furcht, daß ihr Flüstern gehört werden könnte. Wie ein Geist stand ich hinter ihren Köpfen und hörte jedes Wort ihrer leisen Unterhaltung. Es waren gebildete und feinsinnige Männer, keine einfachen Bauern, das merkte ich an der Art, wie sie miteinander sprachen. Dem einen waren von Beamten des Kaisers Worte vorgeworfen worden, die er nie gesagt hatte, dem anderen ein Diebstahl, den
er nie begangen hatte. So hatte man sie zur Zwangsarbeit genötigt und von ihren Familien getrennt. Sie klagten über ihr Schicksal und erzählten einander von ihren geliebten Frauen und Kindern, doch sie hatten die Hoffnung verloren, sie jemals

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