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Das Geschenk der Sterne

Das Geschenk der Sterne

Titel: Das Geschenk der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kruppa
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du, daß Menschen dazu fähig wären, den Stumpf eines gefällten Baumes wieder in die Höhe wachsen zu lassen?«
    »Dann hast du keine Hoffnung, daß sich das Unheil in der Welt irgendwann einmal vermindern wird?«
    »Ich glaube eher, daß es sich vergrößern wird«, antwortete Tschuang Tse dem Gastwirt. »Was jetzt schon
schlimm ist, wird schlimmer werden mit der Zeit. Wenn das Haus des Tao verfallen ist, bleibt den Menschen nur innere Heimatlosigkeit. Ist die Klarheit des Tao verloren, bleibt ihnen nur Verwirrung. Wenn die Natürlichkeit des Tao verloren ist, bleibt ihnen nur Künstlichkeit. Ist der Frieden des Tao verloren, bleibt den Menschen nur der Krieg – zwischen den Ländern, zwischen ihnen und in ihnen. Je mehr das Wissen um den wahren Sinn schwindet, desto größer wird der Wahnsinn unter den Menschen, und je mehr ihr Wahnsinn wächst, desto stärker wird ihre Ichsucht. Bei allem, was sie tun, wird ihr eigener Vorteil der Antrieb sein, und das Geld wird immer mehr zum Maß aller Dinge. Da sie den Zugang zum Wesentlichen verloren haben, werden sie ihre ganzen Kräfte auf die Erfindung und Vervollkommnung des Überflüssigen richten und dadurch ihre Verwirrung noch vergrößern. Sie werden mehr Gesetze aufstellen, als ein Mensch sich merken kann, und unermüdlich eine künstliche Unordnung durch eine andere ersetzen, doch keine wird ihnen den verlorenen Frieden zurückbringen. Immer höhere Berge weisheitslosen Wissens werden sie anhäufen und die Welt mit unzähligen Erfindungen überschwemmen, bis kein Stein mehr auf dem anderen liegt. Ihre Friedlosigkeit und Ichsucht werden alles Leben zwischen Himmel und Erde in einen Strudel des Unheils ziehen. Schon seit langem töten sich die Menschen in Kriegen gegenseitig und empfinden beim Morden nicht mehr als Zimmermänner, wenn sie Bäume fällen. Heute benutzen sie Dolche und Schwerter, Bogen und
Armbrüste, doch mit der Zeit werden sie Waffen und Maschinen bauen, mit denen sie noch wirksamer und leichter morden und zerstören können. Viele Menschen werden Maschinenherzen haben, die kein Mitgefühl und keine Reue kennen, und unsägliche Greueltaten verüben. Das Blut und die Tränen ihrer Opfer werden die Erde mit Grauen, Verzweiflung und Trauer tränken.«
    In Mo Tschens Gesicht spiegelte sich Schrecken über Tschuang Tses Voraussagungen. »Wird sich denn niemand dagegen auflehnen? Werden die Menschen nicht zur Einsicht gelangen, wenn sie die bitteren Früchte ihrer Verwirrung ernten?«
    »Sie werden die Bitterkeit dieser Früchte leugnen, und wo sie dies nicht können, werden sie sie mit Lug und Trug versüßen«, antwortete Tschuang Tse. »Dennoch wird es immer wieder Menschen geben, die eine fahle Erinnerung an das Tao in ihren Seelen tragen und deren Herzen zu Anstand, Güte und Mitleid fähig sind. Sie werden hier und dort kleine Siege erzielen, doch auf lange Sicht werden sie unterliegen, denn im Kampf auf Leben und Tod siegen nicht die Menschen mit den besseren Herzen, sondern die mit den besseren Waffen. Und die besseren Waffen sind meistens in den Händen der Menschen mit den schlechteren Herzen.«

DER VOLLKOMMENE SCHLAG DES HAMMERS

    Nach dem langen Schweigen, das Tschuang Tses Worten gefolgt war, wandte sich Mo Tschen an Min Teng und Yu Lin: »Bitte verzeiht mir, daß ich euch durch meine vielen Fragen an Tschuang Tse zum Schweigen nötige! Ich habe schon mit manchen gescheiten Menschen gesprochen, die Gäste meiner Herberge waren, doch niemals habe ich auf meine Fragen so wertvolle Antworten bekommen, wie Tschuang Tse sie mir gibt. Ihr habt den ganzen Tag auf den Rücken eurer Pferde gesessen und seid erschöpft von den Anstrengungen der Reise, und ich behellige euch mit meinen Sorgen und Fragen, anstatt euch in Frieden zu lassen. Bitte verzeiht mir auch dies! Ich danke dir, Tschuang Tse, für deine Worte, die meine Seele berührt und aufgerührt haben. Ich glaube, daß du den Menschen Wesentliches zu sagen hast, viel mehr Menschen als nur jenen, deren Lebensweg sich mit deinem
kreuzt. Du solltest ein Buch schreiben, in dem du deine Gedanken niederlegst und damit für zahlreiche Menschen zugänglich machst! Nach deinem Tod würde deine Weisheit in deinem Buch fortleben und Licht in die Dunkelheit der Zukunft strahlen!«
    »Ich will dir eine Geschichte erzählen«, sagte Tschuang Tse. »Der Herzog Huan von Tsi las in einem Buch oben im Saal seines Palastes. Sein Stellmacher fertigte unten im Hof ein Wagenrad an. Als er die Arbeit an dem Rad

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