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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Mischung! Meine Entschlossenheit, meine Wut und Kampfkraft waren ihnen vollkommen fremd.»
    Reuben wusste genau, was Margon meinte. Er hatte es selbst erlebt. Die Natur des Menschen hatte auch diese dunkle Seite.
    «Etwas Wilderes, Tödlicheres als alles, was sie und ich bis zu diesem Moment gekannt hatten, war geboren», sagte Margon. «Der Wolfsmensch, der Werwolf … das, was wir heute sind.»
    Als er dieses Mal innehielt, schien er zu überlegen, wie er fortfahren sollte.
    Schließlich sagte er: «Es gibt einiges, was ich immer noch nicht verstehe. Ich weiß nur so viel, wie heute allgemein bekannt ist: dass die Evolution immer wieder Mutationen hervorbringt, zufällige Genveränderungen und -kombinationen. Diese Zufälle sind die Motoren des Universums. Nichts wirklich Neues entsteht ohne sie, und sie haben weitreichende Konsequenzen. Ein solcher Zufall hat uns Morphenkinder in die Welt gesetzt.»
    Margon trank seinen Kaffee, und Reuben schenkte ihm noch einmal nach.
    Stuart war völlig perplex, und es war ihm anzusehen, dass er noch mehr Fragen hatte. Er schien gar nicht zu wissen, welche er zuerst stellen sollte.
    Felix sah ihn an und sagte: «Der Vorteil einer Geschichte, die widerstrebend erzählt wird, besteht darin, dass sich der Erzähler um Wahrhaftigkeit bemüht.»
    «Ich weiß», sagte Stuart. «Es ist nur … Ich möchte so gern …»
    «Du möchtest dich uneingeschränkt zu deiner neuen Existenzform bekennen können», sagte Felix. «Ich weiß. Wir alle wissen es.»
    Margon wirkte abwesend. Vielleicht lauschte er der Klaviermusik Saties, die weiterhin aus der Küche kam.
    «Dann ist es Ihnen also gelungen, die Insel zu verlassen?», fragte Laura nach einer Weile.
    «Ich bin nicht geflohen», sagte Margon. «Was geschehen war, konnte für die anderen nur einen Grund haben: Ihre Götter hatten es so gewollt, und Margon, der Gottlose, galt ihnen ab sofort als göttlich.»
    «Sie haben Sie zu ihrem Herrscher gemacht?», fragte Stuart mit weit aufgerissenen Augen.
    «Nein, sie haben ihn als ihren Hauptgott betrachtet», sagte Thibault. «Das ist ja das Verrückte. Margon, der Gottlose, wurde ihr Gott.»
    Stuart war so fasziniert, dass er auch noch den Mund aufriss und nur stammeln konnte: «Was? Echt?»
    Margon lachte und zuckte entschuldigend mit den Schultern. Dann sagte er: «Ich war viele Jahre lang ihr Herrscher. Mehr als das. Die Leute betrachteten mich tatsächlich als ihren Gott. Wir lebten friedlich zusammen, und wenn wieder mal eine Invasion stattfand, habe ich den Widerstand organisiert. Ich konnte das Böse riechen, genau wie sie. Und genau wie sie verspürte ich den Drang, es zu zerstören. Wenn ich unsere Feinde roch, verwandelte ich mich, genau wie sie. Auch wenn unter uns das Böse ausbrach, konnte ich es riechen.
    Der Unterschied zwischen uns war aber, dass ich mich regelrecht danach sehnte, das Böse zu riechen. Hätte ich das Böse über Hunderte von Kilometern gerochen, wäre ich in das Land des Übeltäters gereist, um ihn zu bestrafen. Ich war vollkommen unfähig, dem Geruch des Bösen zu widerstehen. Der Drang, das Böse auszumerzen, beherrschte mich. Hätte ich das Böse an oder in mir gerochen, hätte ich sogar mich selbst ausgelöscht.»
    «Klar», sagte Stuart. «Versteh ich total.»
    «Es war das Verlangen eines Königs», sagte Margon. «Vielleicht bin ich den Versuchungen des Herrschens erlegen. Mir, dem ersten
Homo sapiens sapiens
, der jemals zu dieser Verwandlung fähig war, bedeutete das alles viel mehr als dem Inselvolk.
    Wir alle sind anfällig für diesen Machtrausch. Hier in den majestätischen Wäldern können wir den Stimmen widerstehen, Ruhe finden und uns vor unserer eigenen Gier schützen, aber früher oder später wird uns die Abstinenz unerträglich, und dann suchen wir direkt nach dem Bösen, das wir doch eigentlich so verabscheuen.»
    «Ach, so ist das», sagte Stuart und nickte.
    Auch Reuben nickte.
    «Ja», sagte Felix. «So ist das.»
    «Wenn es so weit ist, begeben wir uns aktiv auf die Suche nach dem Bösen», sagte Margon. «In der Zwischenzeit gehen wir in den Wäldern auf die Jagd, denn ihren Verlockungen können wir nicht auch noch widerstehen. Dort können wir unseren Blutdurst stillen, ohne uns an Menschen zu vergreifen.»
    Reuben hatte wieder den Geschmack des frischen Elchbluts auf der Zunge und dachte daran, dass dieser Elch selbst keine Tiere fraß. Margon hatte recht, es ging um animalische Instinkte. Der Elch hatte nichts Böses an

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