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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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auch ernster. Der Mann ganz links war so groß wie die anderen, aber er trug sein Haar schulterlang, und ohne seinen Khakianzug hätte man ihn für einen Büffeljäger im Wilden Westen halten können. Sein Gesicht schien regelrecht zu leuchten und erinnerte an die verträumte Figur eines Rembrandtgemäldes, auf die ein geheimnisvolles, beinahe göttliches Licht fällt.
    Marchent beobachtete Reuben und folgte seinem Blick. «O ja, der», sagte sie. «Ein imposanter Typ, was? Er war Felix’ bester Freund und Mentor. Margon Sperver. Onkel Felix nannte ihn einfach nur Margon – und manchmal Margon, den Gottlosen, aber ich weiß nicht, warum. Margon hat immer darüber gelacht. Laut Felix war er der geborene Lehrer. Wenn mein Onkel eine Frage nicht selbst beantworten konnte, sagte er: ‹Vielleicht weiß es der Lehrer.› Und dann griff er zum Telefon und rief Margon, den Gottlosen, an, in welchem Winkel der Welt der auch gerade stecken mochte. Hier im Haus gibt es ein paar Tausend Fotos von diesen Männern, Sergej, Margon, Frank Vandover und den anderen. Sie waren die engsten Vertrauten meines Onkels.»
    «Und Sie konnten keinen von ihnen erreichen, als er verschwunden war?»
    «Nicht einen. Aber wir haben ja auch erst ein Jahr nach seiner Abreise mit der Suche begonnen. Bis dahin dachten wir, er würde sich bald melden. Manchmal waren seine Reisen kürzer, aber dann wieder ging er für längere Zeit in Länder wie Äthiopien oder Indien, wo wir ihn nicht erreichen konnten. Einmal hat er sich eineinhalb Jahre nach seiner Abreise von einer Südseeinsel gemeldet. Mein Vater hat ihm dann ein Flugzeug geschickt, um ihn abzuholen. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Dass ich keinen seiner Freunde finden konnte, nicht einmal Margon, seinen Mentor, hat alles nur noch schlimmer gemacht.»
    Marchent seufzte und schien plötzlich sehr müde zu sein. Dann sagte sie leise: «Zuerst hat mein Vater nicht mit Nachdruck gesucht. Kurz nach Felix’ Verschwinden war er zu viel Geld gekommen, und zum ersten Mal war er richtig glücklich. Ich glaube, er wollte dieses Glück nicht schmälern, indem er groß über Felix’ Schicksal nachdachte. ‹Felix, immer nur Felix›, sagte er ungehalten, wenn ich nach ihm fragte. Meine Mutter und er wollten das Erbe genießen, das ihnen, glaube ich, irgendeine Tante vermacht hatte.»
    Es war ihr deutlich anzumerken, dass es sie Überwindung kostete, über diese Dinge zu sprechen. Reuben streckte die Arme aus – langsam, um sie nicht zu erschrecken – und zog sie an sich. Dann küsste er sie so auf die Wange, wie sie es am Nachmittag bei ihm getan hatte.
    Einen Moment lang schmiegte sie sich an ihn, küsste ihn kurz auf die Lippen und sagte, sie fände ihn ganz reizend.
    «Was für eine erschütternde Geschichte», sagte er.
    «Sie sind ein merkwürdiger Bursche, so jung und zugleich so alt.»
    «Na, hoffentlich», sagte er.
    «Und dann Ihr Lächeln! Warum zeigen Sie es so selten?»
    «Tu ich das? Tut mir leid.»
    «Sie haben recht, es ist wirklich eine erschütternde Geschichte.» Marchent betrachtete wieder das Foto. «Das ist Sergej», sagte sie und zeigte auf einen großen blonden Mann mit hellen Augen, der ganz verträumt oder gedankenverloren dastand. «Ich glaube, ihn kannte ich am besten. Die anderen kannte ich nicht so gut. Zuerst war ich davon überzeugt, dass ich Margon finden würde. Die Telefonnummern, die ich in Felix’ Unterlagen fand, gehörten zu Hotels in Asien und dem Nahen Osten. Dort kannte man Margon natürlich, aber niemand wusste, wo er steckte. Dann habe ich alle Hotels in Kairo und Alexandria abtelefoniert, und wenn ich mich recht erinnere, auch in Damaskus. Onkel Felix und Margon waren oft in Damaskus gewesen, weil es dort ein altes Kloster gab, in dem unbekannte Manuskripte aufgetaucht waren. Die alten Manuskripte befinden sich hier in den oberen Zimmern, ich weiß genau, wo sie liegen.»
    «Wie alt sind sie denn? Vielleicht sind sie ein Vermögen wert», sagte Reuben.
    «Kann schon sein, aber das interessiert mich nicht. Ich fühle mich für sie verantwortlich, aber ich weiß nicht, was ich damit tun soll. Sie müssen erhalten werden, aber wie? Was würde Felix wollen? Er war sehr kritisch gegenüber manchen Museen und Bibliotheken. Wohin würde er diese Dokumente geben? Seine früheren Studenten hätten dazu natürlich gern Zugang. Sie haben nie aufgehört, anzurufen und danach zu fragen. Aber so etwas will gut überlegt sein. Es sind Schätze, die mit Sachverstand

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