Das Geschenk des Osiris
verlangt habe, wären wir alle Sorgen los.«
»Ja, Ipuwer, dann hättest du endlich dein Ziel erreicht, Oberpriester von Abydos zu werden. Ich hingegen hätte mir einen Mord aufgeladen.«
Ipuwer lachte verächtlich. »Das musst gerade du sagen. Wer weiß, wie viele Leute du schon in das Reich des Osiris geschickt hast.«
»Still!«, herrschte der Heilkundige ihn an und deutete mit einer Kopfbewegung auf Netnebu, der sich den beiden näherte.
»Ich komme direkt vom Oberpriester«, sagte Netnebu, nachdem er die beiden Männer erreicht hatte. »Amunhotep will dich sofort sehen, Ipuwer.«
»Ist gut«, erwiderte dieser. »Wenn ich hier fertig bin, gehe ich zu ihm.«
»Nein, Ipuwer, sofort!« Netnebus Antwort duldete keine Widerrede.
»Ich glaube, du vergisst, mit wem du sprichst.« Ipuwer schenkte seinem Gegenüber einen bitterbösen Blick. »In allen größeren Tempeln des Landes kommt mein Amt dem des Zweiten Propheten gleich.«
Unbeeindruckt zuckte der Oberste Vorlesepriester mit den Schultern. »Ja, Ipuwer, und Amunhotep das des Ersten. Also sieh zu, dass du dich zu ihm begibst, und bringe ihm endlich den Respekt entgegen, der ihm aufgrund seines Amtes zusteht.« Netnebu drehte sich ruckartig um und ließ den vor Wut kochenden Schatzmeister und den Heilkundigen stehen.
»Dieser arrogante Kerl«, zischte Ipuwer erbost, nachdem Netnebu außer Hörweite war, »was glaubt er, wer er ist? Als Djefahapi hier noch den Amtsstab geschwungen hat, war er verschüchtert und verängstigt und hat sich nicht getraut, den Mund aufzumachen. Nun aber denkt er, dass er Rückendeckung hat, da der Oberpriester mit ihm befreundet ist.«
»Bleibe ruhig, Ipuwer«, versuchte Paheri den aufgebrachten Schatzmeister zu besänftigen. »Folge einfach Amunhoteps Befehlen. Netnebu hat recht. Amunhotep ist der Vorsteher der Osiris-Priesterschaft. Wir haben uns ihm zu beugen, auch wenn dir das nicht gefällt.«
»Fängst du jetzt auch schon so an?«, beschwerte sich Ipuwer, doch Paheri zuckte nur mit den Schultern und verabschiedete sich von ihm.
Ipuwer brauchte einen Moment, um sich wieder zu beruhigen, und verließ dann ebenfalls die angenehm kühlen Räume der Bibliothek, um sich zu Amunhoteps Anwesen zu begeben.
Er meldete sich beim Hausverweser und wurde von Hekaib in den rückwärtigen Teil des wundervollen Parks geführt, der noch von Djefahapis Gärtnern angelegt worden war.
In einem kleinen Pavillon ruhte Amunhotep mit geschlossenen Augen auf einer gut gepolsterten Liege und lauschte den Worten seiner Dienerin, die mit gekreuzten Beinen neben der Ruhestatt saß, eine Schriftrolle auf den Knien hatte und daraus vorlas.
Ipuwer stand wie vom Donner gerührt da. Diese Leibeigene konnte die heiligen Zeichen lesen? Der Schatzmeister war bestürzt. Was für Überraschungen würde sie ihm noch bereiten?
Schnell fasste er sich wieder und trat auf Amunhotep zu. »Du wolltest mich sprechen?«
Der Oberpriester öffnete die Augen und blinzelte ihn an.
Satra rollte den Papyrus zusammen und stand auf, um Ipuwer einen flachen Hocker an die Liege ihres Gebieters heranzurücken und ihm gut gekühlten Wein zu servieren.
Zögerlich ließ sich Ipuwer nieder und nahm die ihm gereichte Schale, ohne Satra eines Blickes zu würdigen.
»Ich bin sofort gekommen, nachdem Netnebu mich informiert hat, dass du mich sprechen willst. Also, worum geht es?«
Amunhotep öffnete den Mund und brachte ein paar unverständliche Laute heraus, die Satra für den Schatzmeister in verständliche Worte übersetzte.
»Mein Gebieter will wissen, warum sein neues Anwesen noch immer nicht fertig ist!«, übersetzte sie das Kauderwelsch, und erstaunt zog Ipuwer die rechte Augenbraue in die Höhe.
»Woher soll ich das wissen? Netnebu ist für die Überwachung der Bauarbeiten zuständig. Du selbst hast mich von dieser Aufgabe befreit. Entsinnst du dich nicht mehr daran?«
»Doch«, übersetzte Satra Amunhoteps Antwort. »Mein Gebieter sagt, der Herr Netnebu war bei ihm und hat sich beschwert, dass nicht genügend Arbeitskräfte und Baumaterialien zur Verfügung stehen.«
»Und was kann ich dagegen tun?«, beschwerte sich Ipuwer mit missmutiger Miene und erntete einen fragenden Blick von Amunhotep.
»Aber Herr, du bist doch der Vorsteher der Domänen, Werkstätten und Magazine. Somit untersteht dir sämtliches Baumaterial. Wer sonst kann etwas dafür?«, rutschte es Satra heraus, und sie errötete.
Ipuwer bedachte sie mit einem feindseligen Blick, ging aber auf ihre
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