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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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beschert hatte.
    »Es gefällt mir, was ich sehe«, sagte er, nachdem ihm Ipuwer und Netnebu das Heiligtum gezeigt hatten. Dankbar verneigten sich die beiden Osiris-Priester. »Ich glaube, es hätte auch dem Großen Horus gefallen, wenn es ihm vergönnt gewesen wäre, die Fertigstellung seines Tempels noch erleben zu dürfen«, setzte Ramses tadelnd hinzu, und dieses Mal zogen Ipuwer und Netnebu beschämt die Köpfe ein.
    »Verzeih, Majestät«, wagte der Schatzmeister das Wort an den Pharao zu richten, »ich denke, dass der Ba des verstorbenen Königs eines Tages die Gestalt eines Vogels annehmen wird und nach Abydos geflogen kommt, um sein Heiligtum zu besuchen. Ich bin jedoch beglückt, dass es dein göttliches Auge erfreut, was unter meiner Aufsicht entstanden ist«, fügte er selbstgefällig hinzu.
    Netnebu warf ihm einen missbilligenden Blick zu, der Ramses nicht entging. Ipuwer tat gerade so, als sei er für die Errichtung des Tempels allein verantwortlich gewesen und hätte all seine Tatkraft und sein Wissen in den Bau dieses Heiligtums gesteckt.
    »Es war mir eine Ehre, Majestät, als Sterblicher für dich, den lebenden Gott, tätig zu sein«, prahlte Ipuwer derweil frech weiter und verneigte sich erneut vor dem Pharao.
    »Hatte nicht Amunhotep die Oberaufsicht?«, fragte Ramses gespielt verwundert.
    Ipuwer errötete. »Das ist richtig, Majestät, aber seit diesem hinterhältigen Überfall habe ich mich um alle Belange des Tempels und somit auch die Bauarbeiten gekümmert. Ich hoffe, dass alles in deinem Sinne war?«
    »Wie geht es dem Oberpriester?«, entgegnete Ramses und ignorierte die Frage Ipuwers. »Schreitet seine Genesung voran?«
    Die Gedanken des Schatzmeisters überschlugen sich.
    Wie sollte er jetzt reagieren? Netnebu war hier und hörte jedes Wort. Zudem war Amunhotep Ramses ’ Einziger Freund. Ipuwer wusste, er konnte mit seiner Antwort alles gewinnen, aber auch alles verlieren. Trotzdem, was er zu sagen gedachte, entsprach der Wahrheit.
    Er straffte den Rücken. »Seine Genesung geht sehr schleppend voran. Netnebu und Paheri haben alles versucht, um die Dämonen aus seinem Herzen und seinem Körper zu vertreiben, aber sein Bein und sein Arm sind noch immer lahm. Seine Sprache ist völlig unverständlich. Alles, was er sagt, muss von seiner Dienerin wiederholt werden, die ihn als Einzige versteht. Doch, o großer Pharao, es gibt so viele Dinge im Leben eines Oberpriesters, die nicht für die Ohren einer zu Leibeigenschaft und Zwangsarbeit Verurteilten bestimmt sind. Ab und an bedient sich Amunhotep einer Schreibtafel, um seine Anweisungen zu erteilen. Auf Dauer kann das jedoch keine Lösung sein.«
    Nachdenklich kratzte sich Ramses am Kinn und musterte dabei Ipuwer abschätzend von der Seite.
    »Deinen Reden nach, scheinst du alle Voraussetzungen zu haben, sowohl das Amt eines Baumeisters als auch das eines Hohepriesters ausfüllen zu können. Ich werde das im Gedächtnis behalten.«
    Ipuwer verneigte sich dankbar und tief.
    »Wie du sicherlich weißt«, fuhr Ramses nach einer Weile fort, »habe ich in der Nähe der Wüstenstadt Siwa einen großen Sieg über die Feinde Kemis errungen, den ich nur mit Hilfe der Götter erzielen konnte. Mein göttlicher Vater Amun-Re hat dort bereits ein großes Heiligtum und ein Orakel. Ich gedenke jedoch, für den Gott der Zerstörung, der Wüste und der Fremdländer, für Seth, einen Tempel zu errichten. Für diese Aufgabe benötige ich noch einen fähigen Baumeister, später einen erfahrenen Oberpriester für das Heiligtum. Ich werde an dich denken, Ipuwer, wenn es so weit ist.«
    Wie erstarrt stand Ipuwer da und rang nach Luft, während Netnebu alle Mühe hatte, seine versteinerte Miene aufrecht zu erhalten und nicht zu grinsen. Er stellte sich gerade vor, wie der ehrgeizige Ipuwer inmitten einer endlosen Sandwüste als Vorsteher der Priesterschaft des Großen Gottes Seth elendig versauern würde.
    »Majestät«, stammelte Ipuwer, »das scheint mir zu viel der Ehre. Ich glaube, mir genügt mein jetziges Priesteramt.«
    Ramses warf ihm einen verschmitzten Seitenblick zu. »Das freut mich zu hören, Ipuwer, aber jetzt lasst mich allein. Ich will zu meinem Vater beten!«
    Die Priester verneigten sich und zogen sich zusammen mit dem Rest des Gefolges zurück, um den Herrn der Beiden Länder bei seinen Gebeten nicht zu stören.
    Am nächsten Tag wurde durch den Pharao persönlich das Heiligtum seines zu den Göttern gegangenen Vaters geweiht. Täglich würden

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