Das Geschenk des Osiris
getan haben, um zum Großen Gott Osiris zu beten, stimmt das?«
»Ja, Majestät. Ich habe an jenem Abend meinen Widerstand gegen die göttliche Macht des Osiris aufgegeben und mich ihm unterworfen.«
»Glaubst du, dass das der Grund ist, warum die magischen Sprüche endlich Wirkung zeigen und es nun den Priestern gelingen wird, die bösen Dämonen aus dem Herzen und Körper deines Gebieters zu vertreiben?«
Satra wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, und suchte nach einer passenden Antwort, aber die göttliche Macht, die nun über sie gebot, zwang sie, die Wahrheit zu sagen.
»Ja, Majestät, ich denke, dass es damit im Zusammenhang steht. Ich glaube jedoch nicht, dass die Leiden meines Gebieters von bösen Dämonen ausgelöst wurden und dass man nicht einzig und allein nur mit Magie eine Besserung seines Gesundheitszustandes erzielen wird.«
»Ach ja?« Überrascht sah Ramses sie an. »Die Heilkundigen haben alles versucht.« Er zuckte mit den Schultern. »Krankheiten werden durch Dämonen verursacht. Manche sind schwach und lassen sich durch Medizin besiegen, andere hingegen sind so stark, dass man sie nur mit Magie vertreiben kann wie im Fall deines Herrn.« Er kniff fragend die Augen zusammen und musterte sie. »Oder bist du eine Heilkundige und könntest ihn mit anderen Mitteln heilen?«
»Nein, großer Pharao, das bin ich nicht.«
Ramses beließ es dabei. »Als du im Vorhof des Tempels Osiris begegnet bist, hast du ihm einen Schwur leisten müssen. Wiederhole ihn hier vor mir und deinem Gebieter!«
Satra räusperte sich und wiederholte die Worte, die sich ihr ins Gedächtnis gebrannt hatten.
Einen Moment lang herrschte Schweigen.
»Und dann gab dir Osiris dieses Mal, das du auf deinem Arm trägst? Welchen Auftrag hat dir der Gott erteilt?«
»Einen Auftrag, Majestät?« Verdutzt sah Satra hoch, senkte sofort aber wieder den Blick. »Davon weiß ich nichts.«
»Davon weißt du nichts?«
»Nein, Majestät.« Verlegen zuckte Satra mit den Schultern und ließ in Gedanken den Abend noch einmal Revue passieren, doch von einem Auftrag hatte die leuchtende Erscheinung nichts gesagt.
»Und du lügst mich nicht an?«, riss Ramses sie aus ihren Überlegungen.
»Nein, großer Pharao, ich kann dich nicht belügen und auch nicht meinen Herrn Amunhotep. Die göttliche Macht verbietet es mir.«
»Woher weißt du das? Hat dir das der Gott gesagt?«
»Nein, Majestät. Ich spüre es seit jenem Abend. Die göttliche Macht des Osiris hat von mir Besitz ergriffen und lenkt anscheinend all mein Handeln. Auch wenn ich es nicht will, so muss ich sowohl gehorchen als auch immer die Wahrheit sagen, selbst wenn ich es mir nicht gefällt.«
Ich kann noch nicht einmal etwas über mich oder meine Herkunft erzählen, fügte sie in Gedanken hinzu und seufzte leise. Dieses Wissen wäre für Ramses und Amunhotep sicher interessant.
»Nun gut, Satra«, fuhr derweil Ramses fort. »Wenn Osiris erneut zu dir sprechen sollte oder dir seine Befehle erteilt, wirst du deinen Herrn sofort darüber informieren!« Er wandte sich wieder Amunhotep zu. »Ich habe meine Reise durch Kemi begonnen, und da ich sehe, dass du dich auf dem Weg der Besserung befindest, werde ich erst bei meinem nächsten Aufenthalt im Süden die Grundsteinlegung für mein Heiligtum vornehmen. Bis dahin erteile ich dir meinen königlichen Befehl, wieder gesund zu werden, damit du den Bau überwachen kannst.«
Ramses erhob sich und verließ den Raum.
In den folgenden Tagen traf er sich mit der höheren Priesterschaft, um Licht in den Überfall auf Amunhotep zu bringen, doch dieser Versuch verlief ohne nennenswerten Erfolg. Auch unter den niederen Gottesdienern und den einfachen Bediensteten konnte niemand einen hilfreichen Hinweis liefern. Es schien, als habe sich Attentäter in Luft aufgelöst.
Ipuwer versprach daraufhin dem Pharao, auch weiterhin seine Nachforschungen anzustellen und Augen und Ohren offenzuhalten, um den oder die Verantwortlichen für dieses Verbrechen zur Rechenschaft ziehen zu können. Er versicherte ein ums andere Mal Ramses seinen absoluten Gehorsam und seine Treue, bis dieser wieder Abydos verließ, um Richtung Norden seine Reise fortzuführen.
SECHSUNDZWANZIG
Tage vergingen, Wochen und Monate. Die Genesung des Vorstehers der Osiris-Priesterschaft ging nur langsam voran. Allmählich kam er jedoch dank der fürsorglichen Pflege von Satra wieder zu Kräften. Das Loch in seiner linken Schädelhälfte war
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