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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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außer Atem erreichte sie wenig später das Haus des Oberpriesters und musste im Dienstboteneingang erst einmal verschnaufen.
    Was war da gerade geschehen?
    Verwirrt lehnte sie sich mit dem Rücken an die Wand und atmete tief ein und aus. Dabei fiel ihr Blick auf die Stelle, die von der Erscheinung berührt worden war und noch immer brannte.
    Erschrocken riss sie die Augen auf. Es sah wie eine Zeichnung, wie ein Zeichen aus.
    Das konnte doch unmöglich sein!
    Sie legte die Schriftrollen auf den Tisch, der seitlich im Durchgang stand, und trat dichter an eine Öllampe, um besser sehen zu können.
    Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie glauben können, sie wäre tätowiert worden. Es war eine kleine, bläuliche Zeichnung, die Osiris mit Atef-Krone, Zepter und Geißel, den König mit Doppelkrone und Insignien der Macht in Händen sowie einen kahlköpfigen Mann mit Pantherfell und Amtsstab zeigte. Alle Figuren waren entsprechend ihrer Macht in unterschiedlichen Größen dargestellt. Der Gott war ein bisschen größer als der König, während der Priester am kleinsten war. Es gab aber noch eine vierte Figur, eine winzig kleine. Es war eine kniende Frau.
    Satra wollte gar nicht darüber nachdenken, wen sie symbolisierten sollte.
    Was sollte sie jetzt tun? Amunhotep würde sicher schon ungeduldig auf sie warten. Satra wollte ihm jedoch nicht unter die Augen treten, nicht bevor sie dieses Mal abgewaschen hatte. Die Zeichnung war zwar nicht groß, weniger als zweieinhalb Fingerbreiten lang und ungefähr zwei Fingerbreiten hoch, aber Amunhotep würde sie sicher bemerken.
    Verzweifelt dachte sie nach, bis ihr Piay einfiel, der bestimmt noch immer vor dem Badehaus saß und darauf wartete, von seinem Gebieter oder Hekaib ins Bett geschickt zu werden. Amunhotep war jedoch am heutigen Abend so beschäftigt gewesen, dass er sicher keinen Gedanken an seinen Badediener verschwendet hatte.
    Eilig klemmte sich Satra die Schriftrollen wieder unter den Arm und lief schnurstracks zu dem Jungen.
    Piay saß mit angezogenen Beinen in einer Ecke und war eingeschlafen. Sie rüttelte ihn wach und drückte dem völlig verdutzt dreinschauenden Jungen die Schriftrollen in die Hand.
      »Los, Piay, komm hoch!«, sagte sie in befehlendem Ton, und der Nubier gehorchte. »Bringe das zu unserem Herrn. Er ist in seinem Arbeitszimmer und wartet darauf. Ich kann jetzt nicht zu ihm gehen, mir ist nicht wohl.«
    Piay hatte die Augen weit aufgerissen und starrte sie entgeistert an. »Aber  ... aber ...«, stotterte er, »... ich darf das Arbeitszimmer des Herrn nicht betreten.«
    »Klopfe vorher an, und stecke den Kopf durch den Türspalt. Lass dir was einfallen, Piay. Ich kann jetzt nicht.«
    Satra ließ den verdatterten Knaben stehen und stolperte ins Badehaus. Sie hörte gerade noch, dass Piay sie fragte, ob sie krank sei; dann fiel die Tür hinter ihr zu.
    Fieberhaft überlegte sie, was sie tun sollte. Die Zeichnung musste verschwunden sein, bis Amunhotep im Badehaus auftauchte. Und das er das tun würde, war ihr klar. Immerhin hatte sie kein Recht, die Schriftrollen einem halbwüchsigen Diener anzuvertrauen.
    Ihr Blick fiel auf den Krug, in dem sich immer sauberes Wasser befand, damit man sich die Hände waschen konnte. Sie nahm ihn und schenkte etwas Wasser in eine Schüssel. Dann begann sie ihren Oberarm zu waschen, aber das Mal blieb unverändert. Sie rieb und scheuerte. Nichts half.
    Wie war das nur möglich?
    Satra musste zugeben, dass sie sich nicht erklären konnte, wie eine leuchtende Gestalt aus der Statue hatte kommen können und auf sie zugeschwebt war.
    Alle Achtung, da hatten sich die Priester wahrlich einen tollen Trick einfallen lassen!, gab sie anerkennend zu.
    Aber wie nur hatten sie es geschafft, ihr diese Zeichnung zu tätowieren? Der als leuchtender Osiris verkleidete Priester hatte ihr doch nur seine Hand aufgelegt.
    Sie war ratlos.
    Du hast einem Gott gegenübergestanden
, meldete sich eine Stimme in ihr.
    Unsinn, es gibt keine Götter!
, protestierte eine andere.
    Und warum hast du dann dieses Mal, welches ein heiliges Zeichen ist?
    »Ruhe jetzt!«, schrie Satra verzweifelt. »ES GIBT KEINE GÖTTER!«
    Der Schmerz in ihrem linken Oberarm wurde stärker.
    Wütend griff sie nach dem Stein, womit man sich die Hornhaut abrubbelt, und begann damit, ihren Oberarm zu bearbeiten. Es dauerte nicht lange, und die Haut war so wund gerieben, dass sie zu bluten begann. Niedergeschlagen stand Satra vor der Waschschüssel, und

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