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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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auf den Vorhof trat. Aber warum sollte sie sich darüber den Kopf zerbrechen? Turi hatte ihr erzählt, was man mit entlaufenen Leibeigenen tat. Zudem war ihr Leben hier gar nicht so übel, wenn man ihre bisherigen Erfahrungen in Betracht zog.
    Satra überquerte den menschenleeren Platz und trat durch eine weitere Pforte wieder aus dem heiligen Bereich hinaus. Sie steuerte auf das Portal des Lebenshauses zu, vor dem ebenfalls zwei mit Messern und Stöcken bewaffnete Soldaten Wache hielten. Sie zeigte den Männern den Ring und fragte nach dem Weg zur Bibliothek, aber einer der beiden befahl ihr zu warten, während der andere bereits im Gebäudekomplex verschwunden war. Nach kurzer Zeit kam er mit einem verschlafen aussehenden Priester zurück.
    »Was willst du?«, fragte er barsch. Allem Anschein nach hatte der Wachmann ihn geweckt.
    Sie reichte ihm die Tonscherbe, die er sich im Schein einer Fackel dicht vor die Augen hielt. Nachdem er die Worte gelesen hatte, verschwand er im Inneren des Lebenshauses und kehrte kurze Zeit später mit vier Schriftrollen unter dem Arm zurück, die er Satra in die Hände drückte. Dann drehte er sich wortlos um und schlurfte zurück zu seiner Zelle, um weiterzuschlafen.
    Satra hingegen wünschte den Soldaten eine angenehme Nacht und lief zurück zur Pforte.
    Als sie im Vorhof an der Statue des Gottes vorüberkam, verlangsamte sie ihre Schritte und starrte zu ihr hoch. Das fahle Mondlicht spiegelte sich matt auf dem schwarzen Granit; nur unscharf konnte sie das Gesicht der Gottheit erkennen, das gütig in die Ferne blickte.
    Fasziniert blieb Satra stehen und betrachtete dieses Meisterwerk, das wunderschön war und Erhabenheit ausstrahlte.
    Plötzlich registrierte sie so etwas wie ein Leuchten, das von der Statue auszugehen schien. Verwundert streckte sie den Hals vor und kniff die Augen leicht zusammen, um besser sehen zu können. Aus der Statue löste sich eine nebulöse weiße Gestalt und schwebte direkt auf sie zu. Vor Schreck ließ sie die Schriftrollen fallen und sank auf die Knie, hatte aber weiterhin ihren Blick auf die leuchtende Erscheinung gerichtet.
    Was war das?
    Die Gestalt kam immer näher. Satra konnte deutlich erkennen, dass sie das Aussehen des Großen Gottes Osiris hatte. Mit weit aufgerissenen Augen und leicht geöffnetem Mund starrte sie ihr entgegen und wusste nicht, ob sie sich wundern oder fürchten sollte. Kurz vor ihr verharrte das Lichtwesen und sah auf sie herab. Dann sprach es zu ihr, und seine Stimme klang angenehm und beruhigend.
    »Ich bin Osiris, Herrscher über das Reich der Toten. Ich bin der Garant für Auferstehung und Fruchtbarkeit, und ich bin dein Gott und Gebieter. Du wurdest durch mich auserwählt, dem Sohn der Sonne zu dienen.«
    Die göttliche Erscheinung machte eine Pause.
    Satra hingegen sah noch immer zu ihr auf, und ihr entging nicht der prüfende Blick, der auf ihr ruhte. Sie schluckte hörbar, doch es war keine Furcht, die sie beschlich, eher Ungläubigkeit.
    »Sprich mir nach!«, forderte die Gestalt. »Ich schwöre, vom heutigen Tage an bis in alle Ewigkeit werde ich meinem Gott Osiris, meinem König Usermaatre Setepenre Ramses und meinem Herrn Amunhotep, Vorsteher der Osiris-Priesterschaft in Abydos, treu und ergeben dienen. Niemals werde ich die Hand gegen diese, meine drei Herren erheben oder etwas tun, das ihnen Schaden zufügen könnte. Ich gehöre ihnen mit meinem Wissen, Können und Leben bis ans Ende aller Zeiten.«
    Satra schluckte erneut, und mit einem Mal war ihr unwohl zumute. Dennoch wiederholte sie gehorsam die Worte des Gottes.
    Nachdem sie geendet hatte, legte Osiris ihr seine rechte Hand auf den linken Oberarm oberhalb des Verbandes, und ein brennender Schmerz durchfuhr die Dienerin. Sie wand sich, doch der Gott hielt seine Handfläche weiterhin auf ihren Arm gedrückt. Dann nahm er sie fort, und die leuchtende Gestalt zog sich zurück und verschmolz mit dem dunklen Granit der Statue.
    Satra lag noch immer auf den Knien, und ihr Arm brannte wie Feuer. Ungläubig starrte sie zu dem Götterstandbild, das wieder still im fahlen Mondlicht glänzte. Dann erhob sie sich und sah sich um.
    Der Hof war menschenleer.
    War das ein Traum gewesen? – Unmöglich! Die Schmerzen in ihrem linken Oberarm widersprachen dieser Annahme. Zudem fühlte sie sich hellwach.
    Schaudernd bückte sie sich, sammelte die Schriftrollen auf und eilte zu der Pforte, die zum Wohnbereich der Priesterschaft und den Werkstätten und Küchen führte. Völlig

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