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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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Tränen des Schmerzes und der Verzweiflung rannen ihr übers Gesicht.
    Nein, sie weigerte sich, an die Existenz von übernatürlichen Wesen zu glauben. Für alles gab es eine logische Erklärung – auch für das, was sie gerade erlebt hatte!
    Die Tür wurde aufgerissen, und Amunhotep erschien im Badehaus. Sein Blick war drohend, und zwischen seinen Augenbrauen hatte sich eine tiefe Falte gebildet.
    »Was machst du hier, und wieso gibst du dem Badediener die Schriftrollen, anstatt sie mir persönlich zu bringen?«
    Satra stand da und brachte kein Wort heraus. Sie hatte ihre rechte Hand schützend über die Tätowierung gelegt und sah den Priester mit Tränen in den Augen resigniert an.
    »Was hast du da?«
    Mit einer Kopfbewegung wies Amunhotep auf ihren linken Arm, an dem in kleinen Rinnsalen etwas Blut hinunterlief.
    »Nichts«, stammelte sie.
    »Nichts? Ich kenne eure Tricks. Ihr scheuert euch die Haut wund und hofft, dass ihr den Armreif nicht tragen müsst.«
    Mit wenigen Schritten war er bei ihr, packte ihr Handgelenk und wollte ihre Hand vom Arm lösen, doch Satra setzte sich verzweifelt zur Wehr.
    Amunhotep ließ sich davon nicht beeindrucken. Er hielt Satras Handgelenk wie eine Schraubzwinge umfasst, bis es der Dienerin so wehtat, dass sie aufgab.
    Ungläubig starrte Amunhotep auf ihren Oberarm, der feuerrot und aufgerissen war; die Zeichnung war dennoch deutlich zu erkennen.
    »Woher hast du das?« Nur mühsam konnte er seine Erregung verbergen.
    Verbissen presste Satra die Lippen zusammen und starrte zu Boden. Sie wollte ihm nicht antworten, warum auch? Immerhin musste er ja am besten wissen, was in seinem Tempel geschah. Oder hatten andere Priester es ohne sein Wissen getan?
    Du hast einem Gott gegenübergestanden
, meldete sich erneut die Stimme zu Wort.
    Unsinn
, fauchte die andere,
es gibt keine Götter!
    »Was ist«, knurrte Amunhotep, »erhalte ich von dir eine Antwort?«
    Nein!, dachte Satra stur und starrte auch weiterhin zu Boden.
    Mit einem Mal beschlich sie ein seltsames Gefühl. Es war, als würde irgendetwas versuchen, Besitz von ihrem Geist zu ergreifen. Sie wehrte sich dagegen, aber diese Macht war stärker.
    Vor Anstrengung, aber auch vor Qualen, begann Satra am ganzen Leib zu zittern. Dieses seltsame Gefühl wurde immer unerträglicher. Es wollte sie zwingen, dem Oberpriester auf seine Frage zu antworten und vor allem, ihm die Wahrheit zu erzählen.
    Schmerzgeplagt krümmte sie sich zusammen.
    »Lass es geschehen und rede!«, empfahl Amunhotep schlicht, der seine Beherrschung wiedergefunden hatte. »Es wird dir besser gehen, wenn du dich dem beugst.«
    Woher willst du das denn wissen?, dachte Satra und sah ihn mit Tränen in den Augen an. Vor allem aber fragte sie sich, wieso ihm bekannt zu sein schien, was gerade mit ihr geschah?
    »Lass es einfach geschehen«, wiederholte er, aber Satra war noch immer nicht bereit, über den Vorfall im Hof zu reden. Sie wehrte sich mit aller Kraft dagegen, dass etwas, was auch immer es sei, sich in ihrem Körper und in ihrem Geist auszubreiten begann.
    »Dann kann ich dir nicht helfen.« Amunhotep hatte die Arme vor der Brust verschränkt sah hinab auf die Frau zu seinen Füßen, die sich unter Qualen wand.
    Es dauerte, bis die Schmerzen so unerträglich wurden, dass der Widerstand der Dienerin gebrochen war. Unter Tränen erzählte sie Amunhotep von der leuchtenden Erscheinung, die wie der Große Gott Osiris ausgesehen hatte, und von dem Schwur, dem sie ihm hatte leisten müssen.
    Nachdem Satra geendet hatte, befahl Amunhotep ihr, ihm zu folgen. Sie gingen erneut in sein Arbeitszimmer, wo er seine Arzttasche aus der schweren Holztruhe holte und ihren Oberarm versorgte. Dann schickte er sie auf ihr Lager. Zuvor verlangte er seinen Ring zurück und eilte anschließend in die Bibliothek des Lebenshauses, wo er bis kurz vor Sonnenaufgang die uralten Schriftrollen studierte.
    Satra hingegen begab sich völlig erschöpft zu ihrem, mit einem sauberen weißen Laken bedeckten Strohsack und fiel kurz darauf in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

ACHTZEHN
     
     
     
     
     
     
     
    Völlig übermüdet und mit dunklen Schatten unter den Augen verließ Amunhotep im fahlen Licht des anbrechenden Tages den geheimsten Teil der Bibliothek, der nur dem Pharao und der höheren Priesterschaft zugänglich war.
    Nachdem er die Tür verschlossen und sein Siegel in den frischen Ton gedrückt hatte, begab er sich zu seinem Haus, um sich zu baden und zu rasieren, sich massieren

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