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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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und salben zu lassen und weißes Leinen anzulegen. Die Zeit drängte; das morgendliche Ritual stand kurz bevor.
    Nach Beendigung der heiligen Zeremonie aß er etwas und vertiefte sich anschließend erneut in den uralten Schriftrollen. Erst als es Abend wurde, als die Göttin Nut im Begriff war, Re in seiner Barke zu verschlucken, kam er hungrig und erschöpft aus dem Lebenshaus heraus und schlurfte zu seinem Anwesen.
    Amunhotep hatte den ganzen Tag und die Nacht zuvor die alten Schriften studiert. Es war ihm bekannt, dass so etwas schon vorgekommen war, dass die Götter einen Auserwählten auf die Erde gesandt hatten, und er hatte das heilige Mal am Oberarm seiner Dienerin erkannt. Dennoch hatte er nichts in den Aufzeichnungen finden können, dass auch Sterbliche auserwählt wurden, um im Auftrag der Götter den Menschen zu dienen.
    Resigniert und müde trottete er in sein Schlafgemach und rief nach Satra, die vor der Tür zum Badehaus saß und mit Piay plauderte.
    »Ich will baden!«, sagte er, als sie erschien.
    Nachdenklich sah er sie an.
    Satras linker Oberarm war bis hoch zum Schultergelenk verbunden. Er hatte ihr erlaubt, am heutigen Tag ohne den kupfernen Reif ihren Arbeiten nachzugehen. Allerdings hatte er ihr verboten, das Grundstück zu verlassen, was sie gezwungenermaßen in Kauf genommen hatte. Und wie es schien, hatte sie noch immer keine Ahnung, was mit ihr am vergangenen Abend geschehen war.
    Er räusperte sich.
    »Sieh zu, dass du etwas zu Essen für mich aus den Küchen holst. Anschließend gehe zu Hekaib und sage ihm, dass ich ihn sprechen will. Und schicke Moses zu Ipuwer. Ich erwarte ihn in zwei Stunden in meinem Arbeitsbereich im Tempel.«
    Nach dem Abendessen informierte Amunhotep seinen Hausverweser, dass er am nächsten Morgen in Richtung Theben abzureisen gedachte. Dann rief er erneut nach Satra und versorgte ihren Arm.
    Jene Stellen, wo sie versucht hatte, das Mal mit dem Bimsstein zu entfernen, sahen noch ziemlich übel aus. Satra zuckte merklich zusammen, als er ihr die heilenden Kräuter und die Salbe auftrug. Alles andere war gut abgeheilt.
    »Ab morgen trägst du wieder deinen Reif«, wies er sie an, und sie bejahte.
    »Darf ich dann wieder das Anwesen verlassen?«
    »Meinetwegen.«
    Er musterte sie prüfend und reichte ihr das kleine Salbgefäß, das Säckchen mit den zerstoßenen Kräutern sowie sauberes Verbandsmaterial, damit sie in seiner Abwesenheit ihre wund geriebenen Stellen selbst behandeln konnte.
    »Meinst du, du bist dazu in der Lage?«, fragte er, und Satra bejahte erneut. »Gut, dann gehe jetzt zu Hekaib. Es müssen meine Sachen für die bevorstehende Reise zusammengepackt werden.«
    Überrascht blickte Satra ihn an, doch Amunhotep befand es als nicht erforderlich, seine Dienerin von seinen Absichten weiter zu unterrichten.
    Nachdem sie verschwunden war, begab er sich in den Arbeitsbereich des Tempels, um sich mit Ipuwer zu treffen, dem er als seinem Vertreter die Oberaufsicht über das Heiligtum während seiner Abwesenheit übertrug.
    »Gibt es einen bestimmten Grund, weshalb du nach Theben reist?«
    »Ich will mich in Opet-sut in das geheimste Wissen einweihen lassen«, antwortete Amunhotep. »Zudem werde ich den Hohepriester bitten, dass er uns das fehlende Bauholz nach Abydos schickt. Ich gedenke, so schnell wie möglich wieder zurück zu sein.«
    Ipuwer hatte den Kopf schräg gelegt und starrte Amunhotep misstrauisch an. Ihm war zwar bekannt, dass nur den höchsten Würdenträgern eines Tempels bestimmte Schriften zur Verfügung standen, die andere nicht lesen durften, aber dieser Aufbruch erschien ihm irgendwie etwas übereilt. Er vermutete hinter den Reiseplänen des Oberpriesters ein anderes Anliegen, aber er schwieg und nickte nur.
    »Ich werde in deiner Abwesenheit über den Tempel wachen. Du kannst mir voll und ganz vertrauen.«
    Der Vorsteher der Priesterschaft bezweifelte das, denn er vertraute dem Schatzmeister in keiner Weise; dennoch ließ er sich nichts anmerken.
    »Dann gehe, Ipuwer, und tue deine Pflicht!«
     
    * * *
     
    Am nächsten Morgen stand Amunhotep am Bug seiner Barke und schaute hinaus auf den Nil, in dessen Wasser sich Res goldene Strahlen brachen und die Oberfläche glitzern ließen. Der stete Wind aus dem Norden, Amuns Atem, war schon wieder brennend heiß und der Fluss nur noch ein dünnes, schmales Band, das sich durch die verdorrte Landschaft schlängelte. In eineinhalb Wochen würde der Nil wieder zu steigen beginnen und das Land in

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