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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kommunale Dinge kümmern, um Lebensmittelbeschaffung, um Aufräumungsarbeiten, um Bereitstellung von Notquartieren und Ausgabe der Renten – fuhr Major James Braddock wieder einmal vor dem Schloß vor. Er kam fast jede Woche, um zu kontrollieren, ob alles vorhanden sei und keine Klagen vorlägen, denn die Besatzungstruppen hatten Verwaltung und Versorgung der Lazarette voll übernommen.
    Der Besuch an diesem Septembertag aber war außerplanmäßig und streng dienstlich. Zwei Jeeps mit MP begleiteten Braddock, und diese stämmigen Burschen mit den weißen Helmen nahmen Posten im Flur vor dem Chefarztzimmer, als Braddock den Block B betrat.
    Dr. Mainetti, die aus dem Chefzimmer wollte, um dem Major entgegenzugehen, wurde mit dem Lauf einer Maschinenpistole zurückgehalten. Man stieß sie ihr vor die Brust.
    »No!« sagte der Posten hart.
    »Sind ihre Leute verrückt geworden, Major?« rief Lisa Braddock entgegen, der den Flur entlang kam. »Geht der Krieg weiter?«
    »Er ist gar nicht zu Ende gegangen, Miß Mainetti!« sagte Braddock knapp. Daß er sie Miß Mainetti statt Miß Doktor nannte, war ein Zeichen, daß James Braddock jetzt nichts anderes mehr war als ein Offizier der Siegermacht. Eine Uniform mit einem Befehl.
    Er trat an Dr. Mainetti vorbei ins Chefzimmer, winkte, die Tür zu schließen, und sah Professor Rusch ernst an, der einige Röntgenplatten aus der Hand legte und sich erhob.
    »So ernst, Major?« fragte er. »Wer ist Ihnen über die Leber gelaufen?«
    »Sie, Professor!«
    Dr. Mainetti schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, Walter, was plötzlich los ist. Draußen sperrt MP alles ab, stößt mich mit dem Gewehr vor die Brust, der Major ist sauer wie eine unreife Zitrone. Wir haben hier doch keinen Föhn, der alles verrückt macht!«
    Professor Rusch kam um seinen Schreibtisch herum. Er streckte Braddock die Hand entgegen, zog sie aber schnell zurück, als er merkte, daß der Major sie kühl übersah.
    »Darf ich fragen –«, Professor Rusch sah auf den kleinen Offizier herab.
    »Wir haben ihn verhaftet, Professor«, sagte Braddock laut. »Er hielt sich in Frankfurt auf. Peter Weller nannte er sich jetzt, er hatte sogar einen Paß auf diesen Namen. Aber nach sechs Stunden Verhör gab er es zu.«
    »Wer?« fragten Rusch und Lisa fast gleichzeitig.
    »Dr. Urban!« Braddock sah von Dr. Mainetti zu dem Chefarzt. »Er wurde erwischt, als er aus der US-Heeresapotheke Morphin stehlen wollte.«
    »Kein Irrtum. Er ist es!« sagte Lisa hart.
    »Natürlich ist er es!« James Braddock wandte sich wieder Professor Rusch zu. »Und der Junge hat ausgepackt! Warum haben Sie mir verschwiegen, Professor, daß Sie ein alter Parteigenosse sind?«
    Rusch sah verblüfft Lisa Mainetti an. »Was soll ich sein? Ein alter PG? Ausgerechnet ich?«
    »Sie haben sogar das Goldene Parteiabzeichen! Als Spezialist für Gesichtsverstümmelungen waren Sie Mitglied einer Kommission, die unheilbare Fälle für die Euthanasie vorschlug.«
    »Aber das ist doch Wahnsinn!« rief Lisa Mainetti. »Wer hat diesen Irrsinn erzählt?«
    Major Braddock winkte ab. »Es ist uns bekannt, daß Sie, Professor Rusch, viermal bei der Dienststelle v. Unruh angerufen und um eine Auskämmkommission gebeten haben. Gott sei Dank ohne Erfolg!«
    »Die sind wirklich verrückt, Walter!« sagte Dr. Mainetti. »Gerade du, der sich gegen Oberst Mayrat stemmte, der …«
    Major Braddock hob die Schultern. »Die Beschuldigungen sind in den Akten! Wir haben die Pflicht, sie nachzuprüfen. Ich muß Sie bitten, mitzukommen, Professor!«
    »Verhaftet?« fragte Rusch leise. Sein Gesicht war fahl.
    »Wieso? Sie sind Kriegsgefangener. Sie werden nur verlegt! In ein Lager, wo man Sie verhören muß und die Wahrheit feststellen wird.«
    »Ich kann die Wahrheit beschwören, Major!« rief Lisa Mainetti. »Alles ist eine Lüge, ist haltloser Blödsinn! Kein Mann hat so für seine Verwundeten gesorgt wie Professor Rusch. Wie seine Söhne hat er sie geliebt und …«
    Braddock wedelte mit beiden Händen durch die Luft.
    »Keine romantischen Erzählungen, Miß Mainetti. Wir drehen keinen Hollywoodfilm, sondern es geht um Verbrechen gegen die Menschlichkeit …«
    »Professor Rusch – und Verbrechen gegen die Menschlichkeit? Müssen Sie nicht selbst darüber lachen, Major?«
    »Nicht mehr! Es liegen konkrete Aussagen und Angaben vor.«
    »Von wem denn, um Himmels willen!« rief Rusch.
    »Von Dr. Urban.«
    Lisa und Rusch sahen sich lange an. Sie wußten in diesem Augenblick, daß

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