Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
seiner alten Firma vorzustellen. Die Personalabteilung hatte ihm nach Bernegg geschrieben, daß es selbstverständlich sei, ihn wieder einzustellen. Er möge nach seiner Entlassung aus dem Lazarett vorsprechen.
    Das Werk war kaum zerstört worden, aber statt Schlafzimmer und schwerer Renaissanceschreibtische wurden einfache Türen und spindähnliche Schränke hergestellt, und in der großen Furnierhalle, wo früher die besten ausländischen Hölzer verarbeitet wurden, hatte sich eine Autowerkstatt der US Army eingerichtet.
    Herr Berger, der Möbelfabrikant, ließ es sich nicht nehmen, den Heimkehrer Christian Oster selbst zu begrüßen. Emanuel Berger hatte Glück gehabt. Er war nur zahlendes Parteimitglied gewesen, und daß man ihm eine Plakette ›NS-Musterbetrieb‹ an die Tür gehängt hatte, war nur eine Laune der Arbeitsfront gewesen, sagte er. Man wollte eben nach Berlin große Prozentzahlen melden. Darum die Plakette an einem Betrieb, der schon immer ›dagegen‹ war. Beweis: Statt Luftschutzbetten hatte die Firma Berger Küchenstühle hergestellt. Wenn das kein Beweis von Pazifismus war.
    Auf jeden Fall – Emanuel Berger hatte seinen Betrieb behalten dürfen, war in kein Nazilager gekommen und hatte sogar neue große Aufträge für den Wiederaufbau erhalten. Auch von amerikanischer Seite. Möbel für Kasernen und Baracken.
    Herr Berger sah mißbilligend auf den Mann, der in sein Büro kam. »Wo kommen Sie denn her?« fragte er ziemlich grob. »Ich erwarte Besuch. Wer hat Sie denn 'reingelassen?«
    »Ich bin der Besuch«, sagte Christian Oster.
    »Wer sind Sie?« bellte Berger.
    »Christian Oster.«
    Berger sprang um seinen Schreibtisch herum. Er war rot vor Erregung und spreizte beim Sprechen die Finger wie ein springender Frosch.
    »Hören Sie mal, Herrn Oster kenne ich seit Jahren! Er war Leiter meines Lohnbüros! Und wenn Sie nicht …«
    »Aber ich bin doch Christian Oster, Herr Berger.« Er schluckte mehrmals, sein Hals schnürte sich wieder zu. »Meine Augen, meine Haare – die sind geblieben. Das andere liegt in Rußland. Ich war doch gesichtsverletzt. Ich habe ein anderes Gesicht bekommen.«
    Herr Berger fuhr sich mit der rechten Hand über die Augen und blinzelte erschrocken. »Das – das ist doch nicht möglich.«
    »Leider ja. Man kann es nicht mehr ändern.«
    »Und was – was sagt Ihre Frau dazu?«
    »Sie wird sich damit abfinden. Ich bin doch kein anderer Mensch geworden. Ich bin doch immer noch der Christian Oster. Nur anders sehe ich aus.«
    »Eben. Eben! Das ist verwirrend. Verdammt – ich muß einen Cognac trinken! Trinken Sie einen mit, Herr – Herr Oster?«
    »Schönen Dank, Herr Berger.«
    Nach zwei Stunden fuhr Oster mit seinem alten Rad wieder nach Hause. Er hatte seine Stelle wieder. Er war wieder Leiter des Lohnbüros. Der bisherige Leiter wurde zum Chef des Einkaufs befördert. Schon am nächsten Tag konnte er anfangen. Sein Schreibtisch stand aufgeräumt und kahl zu seiner Verfügung. Der gleiche Tisch wie vor seiner Einberufung zur Wehrmacht. Er erkannte ihn an einem Tintenfleck auf der Platte. Damals war ihm der Füllfederhalter ausgelaufen.
    Herr Emanuel Berger stand am Fenster seines Büros, als Christian Oster wieder abfuhr. »So was«, sagte Berger und biß die Spitze einer langen Zigarre ab. »Nee, so was! Ein ganz anderes Gesicht. Wenn das mal gut geht!«
    Jeden dritten Tag ging Erich Schwabe in das große Kölner Krankenhaus ›Lindenburg‹ zum Verbinden. Aber selbst in dieser Stadt der Kranken fiel er auf. Man zeigte es ihm nicht, aber er merkte es daran, daß bei jedem Verbandswechsel andere Ärzte zugegen waren, oftmals würdige Herren, die mit Herr Professor angeredet wurden und die stumm sein Gesicht abtasteten, die neueingesetzte Nase und die von Lisa Mainetti mit großer Geduld neugeformten Lippen. Zwar waren sie noch in der Rohform, aber man erkannte als Fachmann, wie es einmal werden würde.
    In der ›Lindenburg‹ waren es vor allem zwei französische Ärzte, die Schwabe betreuten. Sie waren als Kriegsgefangene in das Krankenhaus gekommen und nach der Kapitulation in Köln geblieben, weil sie sich eingearbeitet hatten und sich wohl fühlten. Sie weichten wie der Famulus Baumann in Bernegg mit größter Sorgfalt die Verbände durch, ehe sie sie ablösten, reinigten die noch nässenden wunden Stellen und verklebten dann wieder das ganze Gesicht mit breiten, rosa Hansaplaststreifen.
    Drei Tage vor Weihnachten waren die Schwabes in Karlheinz Petschs

Weitere Kostenlose Bücher