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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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richtig gewesen?« schrie Lisa.
    Der Vorsitzende der Spruchkammer sah sie nur starr und sprachlos an.
    Aber dann trat Lisa erst richtig in Aktion. Sie zeigte die Reihenfotos der Operationen an den zerstörten Gesichtern, sie zeigte Briefe, sie erklärte Krankenberichte, sie beschwor die Wahrheit über die ›General-von-Unruh-Aktion‹ auf Bernegg und bewies die Rettung von über hundert Verwundeten. Nur an die ›Ehre‹ des ehemaligen Obersten Mayrat und des Oberarztes Dr. Urban konnte sie nicht tasten. Oberst a.D. Mayrat hatte einen Schwager, den man zum Landgerichtspräsidenten ernannt hatte, und Dr. Urban wiederum war ein Freund Mayrats.
    »Es genügt auch so«, sagte der Vorsitzende zugeknöpft. »Der Spruchkammerentscheid wird Ihnen zugestellt.« Er klemmte das Aktenstück unter den Arm.
    Dann schob er seinen Stuhl zurück und ging steif an Lisa vorbei aus dem Zimmer.
    Baumann umklammerte wütend die Stuhllehne vor sich. »Der Deutsche ist wieder satt, man merkt es«, sagte er heiser. »Und ein satter Deutscher ist seine eigene größte Gefahr.«
    Professor Dr. Rusch wurde in die Gruppe V der Entlasteten eingestuft. Er las den Entscheid gar nicht, sondern legte ihn zu alten Röntgenbildern, die für das Archiv ausgesucht worden waren.
    Auch Famulus Baumann verließ nun das Schloß Bernegg. Er wollte in Bonn zu Ende studieren. »Meine klinische Zeit aber mache ich bei Ihnen, Herr Professor«, sagte er zum Abschied. »Und wenn ich eine nicht zu große Flasche bin, wäre es schön, wenn Sie mich später als Assistent anforderten.«
    »Machen wir, Baumann.« Rusch gab ihm eine Empfehlung an den Ordinarius in Bonn mit. Seit einem Monat war auch Rusch wieder als a.o. Professor in die medizinische Fakultät der Würzburger Universität aufgenommen worden. Im Wintersemester sollte er mit Vorlesungen über Wiederherstellungschirurgie beginnen. »Ich hoffe, Sie eines Tages als Oberarzt zu sehen.«
    »Denken Sie daran, daß auch Fritz Adam mit im Rennen liegt. Er hat sein Staatsexamen hinter sich.«
    »Es ist merkwürdig«, sagte Rusch mit spürbarer Ergriffenheit. »Ihr kommt alle zu mir zurück.«
    Baumann senkte den Kopf. »Weil Sie im wahrsten Sinne des Wortes unser Vater sind, Herr Professor, unser aller Vater.«
    So wurde Erich Schwabe allmählich sehr einsam im Lazarett, das jetzt offiziell ›Versorgungskrankenhaus Schloß Bernegg‹ hieß. Die Verwaltung hatte ihn als Gärtner und Hausmeister übernommen, er bekam ein kleines Gehalt bei freier Wohnung und freier Kost und galt als Angestellter des Landes Bayern.
    Er hatte sogar einen eigenen Wagen: die ›Geheimwaffe Berneggs‹, den uralten belgischen Beutewagen, den Fritz Adam im Schuppen abgestellt hatte. Bei seinem letzten Besuch hatte er den Vergaser wieder zurückgebracht, den er damals der Krankenschwester Dora Graff zur Aufbewahrung gegeben hatte. Schwabe montierte ihn wieder ein, wusch den Motor mit Dieselöl, kratzte den Rost ab, ließ die Zylinder in einer Werkstatt nachschleifen und fuhr dann unter dem Gejohle der Patienten seine erste Runde um das Schloß.
    In Bernegg traf er, wenn er einmal etwas einkaufte, nie mit seiner Mutter oder Ursula zusammen. Er hörte nur, daß seine Frau eine gutgehende Schneiderei mit vier Gehilfinnen habe und daß seine Mutter das Hausgrundstück in Köln verkauft habe, um mit dem Erlös aus dem teuer bezahlten Ruinenplatz Bauland in Bernegg zu erstehen. Der Käufer in Köln war Karlheinz Petsch. Er wollte den ganzen Häuserblock wiederaufbauen, mit großen Läden und luxuriösen Appartementwohnungen. Er konnte sich diesen Plan leisten. Petsch war Millionär geworden. Er besaß ein Bauunternehmen mit 167 Arbeitern, mit modernen Kränen und Betonmischern, Schalgerüsten und Aufzügen.
    Erich Schwabe kniff die Lippen zusammen. Aha, dachte er. Noch immer der Petsch. Ein reicher Mann also. Natürlich, so etwas imponiert den Frauen.
    Er fuhr zum Schloß zurück und kümmerte sich weiter um seine Blumen, um die Vögel und das zahme Reh, das er großgezogen hatte. Im Winter 1947/48 hatte er es halb erfroren hinter der Schloßmauer im Graben gefunden. Jetzt lief es frei im Park herum und folgte Schwabe bei seinen Arbeiten wie ein Hund.
    Eines Tages holte ihn eine Ordensschwester aus dem Gemüsegarten. »Ein Herr möchte Sie sprechen, Herr Schwabe«, sagte sie.
    »Ein Herr? Mich?« Schwabe tauchte die schmutzigen Hände in die Gießkanne und wischte sich die feuchten Finger an der grünen Gärtnerschürze ab. »Wer ist es

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