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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schrie Babs wieder, als sie davor stand. »Der Froschkönig. Und eine richtige Prinzessin ist das. Viel schöner als bei mir im Bilderbuch. Woher hast du das?«
    »Ich habe es selbst gemalt.«
    »Du? Du kannst das, Onkel?«
    »Ja.«
    »Eine Prinzessin machen?«
    »Ja.«
    »Und kannst du auch einen König machen? Einen Zauberer? Eine Hexe? Schneewittchen? Und Zwerge? Und den Wolf mit dem Rotkäppchen?«
    »Ich kann alles machen, was du willst, Babs.«
    Barbara nickte. »Ich bringe dir morgen alle Bücher mit. Zeigst du mir, wie man das macht?«
    Schwabe nickte stumm. Er streichelte die blonden Locken des Kindes und dachte an ein anderes Mädchen, das ungefähr so alt sein mußte und das irgendwo aufwuchs und dem man auf seine Fragen antwortete: Dein Papi ist aus dem Krieg nicht mehr heimgekommen. Und es hatte niemanden, der ihm eine Prinzessin malte oder die sieben Zwerge.
    Gegen Mittag holte Frau Kartuscheck mit vielen Dankesworten Barbara wieder ab. Sie packten das Glasgemälde in Packpapier ein, und Barbara winkte aus dem Fenster des Omnibusses bis zur scharfen Kurve hinter dem Wald.
    Und es war Schwabe, als sei der Tag mit dem Weggang Barbaras zu einer trägen Last geworden, die erst am nächsten Morgen von ihm genommen würde, wenn Barbaras helle Stimme wieder durch den Garten klang.
    Zwei Wochen lang kam das Kind jeden Morgen auf das Schloß und fuhr mit dem Mittagsbus nach Bernegg zurück. Und jeden Tag hatte Erich Schwabe eine neue Überraschung für Barbara bereit, um den Jubel in ihrer Stimme immer wieder zu hören, ihre leuchtenden Augen zu sehen und ihre weichen Arme um seinen Hals zu fühlen.
    In diesen Augenblicken war auch Erich Schwabe von Glück erfüllt.
    Er hatte für Barbara eine kleine Harke hergestellt, und Seite an Seite standen sie in den Beeten oder im Gewächshaus und pflegten die Blumen, wendeten das geschnittene Gras oder begossen die Rabatten. Schwabe mit dem Schlauch, Barbara mit einer kleinen buntbemalten Gießkanne.
    In den Pausen malte Schwabe immer neue Märchenbilder auf Glas. Er zeichnete nur die Konturen, und Barbara malte sie mit Farbe aus, gewissenhaft, mit den zarten Fingerchen sicher den kleinen Pinsel führend und mit viel Gefühl für die Zusammenstellung der Farben.
    »Du, Mami hat das Bild aber gut gefallen«, sagte Barbara eines Tages. »Ich hab' es ihr gezeigt.«
    »Welches denn?«
    »Das von dem Froschkönig.«
    Frau Kartuschecks freier Tag war für Erich Schwabe der trostloseste Tag der Woche. Es war, als mache er alle Welt dafür verantwortlich, daß er an diesem Tage Barbara nicht sehen konnte. Am meisten litt die Hecke darunter, er schnitt sie so radikal zurück, daß Lisa zu ihrem Mann sagte: »Jetzt hat er drei Jahre Wachstum weggeschnippelt.«
    Und plötzlich kam Barbara überhaupt nicht mehr.
    Es war mitten in der Woche, und Erich Schwabe sah verwundert auf die Uhr, als die Glocke in Bernegg neun Uhr schlug und Frau Kartuscheck nicht mit dem Bus gekommen war.
    »Sie wird ihn mal verpaßt haben«, dachte er laut, während er die Parkwege harkte und das Laub zusammenkehrte. »Der nächste Bus kommt um zehn.«
    Aber auch um zehn kam Barbara nicht. Der freie Tag war es auch nicht, wie Schwabe zur Sicherheit feststellte. Es mußte also etwas geschehen sein, was Barbara am Kommen hinderte.
    Sofort wieder Lisa zu fragen, wagte er nicht, um nicht lächerlich zu erscheinen. Aber den ganzen Tag über war er unruhig, schnauzte mit ein paar Patienten herum, weil sie Papier im Park weggeworfen hatten, anstatt die an den Bäumen aufgehängten Papierkörbe zu benutzen, und als es Abend wurde, holte sich Schwabe aus der Klinikkantine einige Flaschen Bockbier und dämpfte mit Alkohol seine innere Erregung.
    Am nächsten Morgen um neun Uhr stand Schwabe vor dem Eingang und wartete auf den Bernegger Bus. Er kam, hielt, einige Besucher der Klinik stiegen aus, fuhr weiter – aber Frau Kartuscheck und Barbara kamen nicht.
    Erich Schwabe spürte, daß er die Ungewißheit nicht länger ertragen konnte. Er rannte zu Lisas Zimmer und klopfte an. Die Ärztin nickte ihm freundlich zu, als er sichtlich verwirrt bei ihr eintrat.
    »Fragen Sie nicht, Schwabe«, sagte sie, ehe er etwas sagen konnte. »Barbara liegt zu Hause und ist krank. Und im übrigen ist ihre Mutter wieder so weit hergestellt, daß sie sich selbst um das Kind kümmern kann.«
    »Krank?« stotterte Schwabe.
    »Die Masern.«
    »Ist … ist es ernst?«
    Lisa lachte. »Aber Schwabe. Die Masern. Haben Sie auch als Kind gehabt.

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