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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Grüppchen für die Entlastung unserer im Schicksalskampf um die Nation stehenden Front herausziehen konnten.«
    Weiter kam er nicht. Professor Rusch klopfte mit der Gabel an sein Bierglas. In die Augen Lisa Mainettis kam ein besorgter Ausdruck. Sie trat Rusch unter dem Tisch auf den Fuß, aber er reagierte nicht darauf. Oberst Mayrat blickte verwundert und verärgert zu Rusch hinüber.
    »Bitte?« fragte er mit maliziöser, hoher Stimme.
    Rusch erhob sich. Sein zerfurchtes Gesicht war kantig. Lisa kannte diese Veränderung an ihm, es gab jetzt keine Kompromisse mehr.
    »Ich möchte einen Irrtum klarstellen!« rief Professor Rusch mit lauter Stimme. »Herr Oberst Mayrat spricht von einem Grüppchen Verwundeter, die seine Kommission für wert erachtet, wieder dem Führer zu dienen!« Jeder spürte den dicken Spott aus seinen Worten. Professor Gilgen sah aufgeregt zu Dr. Mainetti hinüber. Hilflos hob sie leicht die Schultern. »Es stimmt. Es existiert seit einer Stunde eine solche Liste. Der Irrtum aber ist, daß wohl Namen aufgeschrieben worden sind – aber wer aus diesem Lazarett entlassen wird, bestimme ich!«
    »Herr Oberstabsarzt!« rief Oberst Mayrat hochrot im Gesicht.
    »Ich allein, Herr Oberst!« schrie Professor Rusch zurück. »Ich bin Arzt! Ich habe einen Eid auf die Menschlichkeit geschworen!«
    »Einen Eid auf den Führer!« schrie Mayrat.
    »Auch das!« Professor Rusch lächelte mokant. »Ich danke Ihnen, Herr Oberst, daß Sie zwischen Menschlichkeit und Führer einen so großen Unterschied herausstellen! Ich hatte das nicht bedacht!«
    »Unerhört!« schrie Mayrat.
    Professor Gilgen legte die Hand vor den Mund. »Er ist verrückt«, sagte er leise. »Er ist total verrückt.«
    »Als Chefarzt dieses Lazaretts beurteile ich allein, welcher Verwundete zur Entlassung vorgeschlagen wird! Ich trage hier allein die Verantwortung, und auch ein General v. Unruh kann sie mir nicht abnehmen!«
    »Er tut es!« brüllte Oberst Mayrat außer sich. »Meine Kommission hat das Recht …«
    »Sie hat das Recht auszusuchen. Sie entbindet mich vielleicht vor dem Gesetz von meiner Verantwortung – aber nicht vor Gott, Herr Oberst.«
    »Lassen Sie den alten Mann aus dem Spiel! Es geht um Sein oder Nichtsein des Volks!«
    »Was für ein Sein ist das, das von dreiundzwanzig Menschen ohne Gesicht abhängt!«
    Oberst Mayrat schwieg, als habe man ihn mit einem mächtigen Schlag betäubt. Er sah sich um. Überall blickte ihm Kälte entgegen, Gegnerschaft, Verachtung, Haß. Generalarzt Professor Gilgen wandte den Blick zur Seite, als Mayrat ihn musterte.
    »Ach, so ist das«, sagte Mayrat leise. »So also ist die Stimmung in der Heimat. Ein neuer Dolchstoß …«
    Professor Rusch legte die Hände um sein Bierglas. Auch wenn sie alle in diesem Saal so dachten wie er – er wußte, daß er einsam dastand und für ein Recht kämpfte, das seinen Kopf wert war.
    »Ich werde Herrn General v. Unruh einen genauen schriftlichen Bericht über die 23 ausgewählten Verwundeten einreichen«, sagte er kalt. »Ich werde Schlußuntersuchungen vornehmen müssen und Gutachten für spätere Ansprüche. Melden Sie bitte General v. Unruh, daß diese Meldung schätzungsweise vier Wochen dauern wird. Wir werden die deutsche Gründlichkeit nicht verletzen.«
    Oberst Mayrat setzte sich. Er aß nichts mehr und ließ auch das Bier stehen. Mit verkniffener Miene verabschiedete er sich nach dem Essen von den Ärzten, und er küßte auch Lisa Mainetti nicht mehr die Hand. Professor Gilgen blieb noch einen Augenblick bei Rusch stehen, bevor er in seinen Horch stieg.
    »Sie waren unvorsichtig, Rusch«, sagte er leise. »Ihre Äußerungen in die Ohren der Gestapo … Seien Sie klug, so kurz vor dem Ende hat es keinen Sinn mehr. Wir brauchen auch noch einige Köpfe für nachher. Wer soll denn aufbauen? Ich werde mit Mayrat reden, daß er den Mund hält.«
    Er gab Rusch die Hand und hielt sie fest. Mit väterlichem Lächeln beugte er sich vor. »Sie können Ihre Jungs wieder aus dem Bunker holen, Rusch. Und die wie Paschas im Bett liegenden internen Kranken können auch zurück zum Block A.«
    »Sie … Sie wissen alles, Herr Generalarzt?« Rusch lächelte schwach. Professor Gilgen drückte noch einmal seine Hand. Die weißen Haare unter der Mütze flatterten im Wind.
    »Ich kenne doch meine ehemaligen Doktoranden. Und ich lasse sie auch nicht im Stich.«
    Als die Wagen abfuhren, winkte ihnen Rusch mit beiden Armen nach. Er fühlte sich befreit und

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