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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verbreitete sie sich mit Windeseile. Jede noch so kleine, unsichtbare Wunde war dem Erysipel ausgeliefert. Erst durch das Sulfonamid Prontosil war man ihrer Herr geworden.
    Schwabe wurde nach Anlegen eines Salbenverbandes in sein Zimmer zurückgebracht. Baumann blieb bei ihm. Schweigend saß er an seinem Bett. Auch Fritz Adam sagte kein Wort. Nur der Feininger Wastl konnte den Mund nicht halten. »Siacht aus wie d' Ros'n, d' Gsichtsros'n moan i. Mei Großmuatta hots a scho amoi g'habt.«
    »Halt die Schnauze«, sagte Baumann ebenso leise wie eindringlich. »Und mach, daß du in dein Bett kommst, du verdammte Unke.«
    Der Wastl schlich zu seinem Bett und drehte der Gruppe um Schwabe beleidigt den Rücken zu.
    Rusch brachte Lisa auf ihr Zimmer. Sie setzte sich aufs Bett und unterdrückte mühsam ein Schluchzen. »Ich bin schuld«, sagte sie. »Ich habe das Wundbett gemacht. Ich habe die Infektion gelegt.«
    »Blödsinn«, sagte Rusch, der sich zu ihr herabbeugte. »So was kann immer passieren, Streptokokken sind überall – Hauptsache, wir beherrschen den Ausbruch, und das tun wir. Du brauchst dir keinen Vorwurf zu machen, Lisa, du nicht. In ein paar Tagen ist die Infektion behoben, und dann wollen wir sehen, was von unserer Arbeit übriggeblieben ist.«
    Lisa gab keine Antwort mehr. Sie war im Sitzen eingeschlafen. Die Überanstrengung war zu groß gewesen.
    Rusch nahm sie wie ein Kind auf die Arme, legte sie auf das karge Feldbett und deckte sie zu. Sie erwachte nicht einmal dabei. Auf den Zehenspitzen verließ er ihr Zimmer.
    Nach drei Tagen war Schwabe fieberfrei, und es erwies sich, daß der Schaden geringer war, als man erwartet hatte. Aber Rusch war vorsichtig und ließ den Patienten nicht aus den Augen. Schwabe durfte das Bett nicht verlassen, obwohl kein neuer infektiöser Schub aufgetreten war.
    Fritz Adam hatte von seiner Frau Irene Nachricht erhalten. Mit keinem Wort erwähnte sie sein Geständnis des Ehebruchs, noch fand sie ein Wort des Danks dafür, daß er bereit war, die Schuld auf sich zu nehmen. Sie teilte nur in nüchternen Worten mit, daß die Gerichte eine Annahme des Scheidungsantrages bis zu einer normaleren Zeit verweigert hätten.
    »Betrachten wir uns deshalb als geschieden«, schrieb sie. »Die gerichtliche Bestätigung wird ja nur eine Formsache sein.« Und dann folgte ein Satz, der in Fritz Adam eisige Kälte erzeugte und das letzte Gefühl für die zierliche puppenhafte Irene abtötete: »Auf Unterhalt und so weiter verzichte ich. Du weißt, ich habe von zu Haus aus Geld genug, um für mich zu sorgen. Und außerdem wird es bei deinem Gesicht ja auch recht lange dauern, bis du wieder Geld verdienen kannst.«
    Fritz Adam gab den Brief ohne Erklärungen der Schwester Dora Graff. Sie las ihn, und dann zerriß sie den Bogen und warf die Schnipsel in den Ofen.
    »Wir wollen nichts mehr von ihr sehen und hören«, sagte sie fest. »Es hat sie einfach gar nicht gegeben, Fritz.«
    »Ihr Schatten ist immer da! Wir können nicht heiraten.«
    »Es werden auch mal normale Zeiten kommen. Dann geht es schnell.«
    »Aber wann wird das sein, Dora? Ich bin an Irene gefesselt, es kann noch Jahre dauern.«
    »Was ändert das an unserer Liebe? Wir sind noch jung, wir haben Zeit. Wenn wir den Krieg überleben, liegt doch noch alles vor uns.«
    Fritz Adam schüttelte den Kopf. Er hatte in den vergangenen wenigen Wochen viel über sich und Dora Graff nachgedacht. Ihre Liebe war so plötzlich gekommen, daß er zuerst nur an aufopferndes Mitleid glaubte. Erst in der Silversternacht hatte er erkannt, daß in den Monaten, die er auf Schloß Bernegg gelegen hatte, immer schon ein unsichtbares Band zwischen ihnen gewesen war – vom ersten Tag an, an dem Dora Graff auf die Station Dr. Mainettis gekommen war. Aber sie hatten nie darüber gesprochen, und sie sahen weg, wenn ihre Blicke sich trafen, weil jeder von ihnen fürchtete, der andere könne etwas bemerken. Und dann war auf einmal die große Befreiung da, die Erlösung der heimlichen, so lange gefesselten Wünsche. Doch die Probleme wuchsen damit, und Irene Adam war noch das geringste davon.
    »Was bin ich denn?« sagte Fritz Adam. »Ein Medizinstudent, der gerade gelernt hat, wieviel Öffnungen der menschliche Körper hat. Ein Nichts ohne Gesicht. Gewiß, meine Eltern haben Geld – aber weißt du, ob es noch einen Pfennig wert ist, wenn wir den Krieg verlieren? Dann stehen wir da wie die Bettler.«
    »Es wird sich alles finden, Fritz.« Dora Graff küßte ihn

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