Das geschenkte Leben
schreckliches Erlebnis für die beteiligte Frau, und wahrscheinlich würde er den letzten Orgasmus nicht mehr erleben, weil es schon vorher geschehen würde.
Es ist weit besser so, wie es Jake getroffen hat, immer noch im Besitz seiner Manneskraft, nehme ich an, (Du weißt verdammt gut, daß Jock noch im Besitz seiner Manneskraft war. Frag deine Frau. Frag Gigi. Teufel, frag, wen du willst.) (Eunice, war mein Verhalten derart indiskret?) (Überhaupt nicht indiskret, du lieber alter Bock, aber Neuigkeiten sprechen sich eben herum.) immer noch dem Leben zugewandt, glücklich und anderen eine Stütze. Mach dir keine Sorgen über zuviel des Guten und so weiter. Diese Ehe mag Jake Jahre der hoffnungslosen Senilität erspart haben. Oder sie mag sein Leben um zwei Wochen oder einen Monat verkürzt haben, und das wäre ein geringer Preis für viel Glück. Aber ich glaube eher, daß sie sein Leben verlängerte; ein glücklicher Mann funktioniert besser. Wenn meine Zeit kommt, dann möchte ich genauso enden wie Jake – schnell, und glücklich bis zuletzt.«
»Dann hat eine Autopsie keinen Sinn, Roberto. Willst du eine Sterbeurkunde schreiben?«
»Selbstverständlich.«
»Kannst du auch die übrigen Formalitäten für mich erledigen, Roberto? Ich meine, du weißt besser als ich, welche Stellen und Behörden Kopien haben müssen. Eine kannst du jedenfalls Alex Train schicken, er wird sie brauchen, weil er Jakes Testament hat. Ich möchte unter allen Umständen verhindern, daß Jakes Tod zu einem späteren Zeitpunkt in einen Zirkus verwandelt wird. Keine Menschenmengen, keine Fragen, keine Reporter, keine Vorladungen und keine schlaflosen Nächte. Nur die nötigen Formalitäten, nicht mehr.«
»Gut, Joan, wenn du es so willst. Und du hast recht. Wir haben hier einen natürlichen Todesfall auf See, und es gibt keinen Grund, Bürokraten darin herumstochern zu lassen. Kapitän Finchley und ich als Schiffsarzt werden Totenschein und Sterbeurkunde ausfertigen und unterschreiben, und das muß jedem genügen. Aber jetzt möchte ich dir etwas geben, daß du schlafen kannst. Nicht viel, nur ein Beruhigungsmittel.«
»Roberto, was war mein Puls?«
»Das geht einen Patienten nichts an, Joan.«
»Es war zweiundsiebzig, völlig normal – ich habe meine Herzschläge mitgezählt. Ich brauche kein Beruhigungsmittel.«
»Joan, dein Puls sollte höher als normal sein, unter den Umständen.«
»Dann würde ich eher ein Anregungsmittel brauchen, nicht ein Beruhigungsmittel. Roberto, du vergißt manchmal – obwohl du die ganze Geschichte mit mir durchgemacht hast –, daß ich nicht eine normale Patientin bin. Nicht eine junge Braut, die in Gefahr ist, einen hysterischen Zusammenbruch zu erleiden. Unter meiner glatten Stirn bin ich ein sehr alter Mann, fast dreimal so alt wie du, und ich habe alles gesehen, und kein Schock kann so schwer sein, daß er mich umwirft. Der Tod ist ein alter Freund; ich kenne ihn gut. Ich habe mit ihm gelebt. Ihm wieder zu begegnen, ängstigt mich nicht. Der Tod ist so notwendig wie die Geburt, und er kann in seiner Weise glücklich machen.« Sie lächelte zu ihm auf. »Mein Puls ist normal, weil ich glücklich bin – glücklich, daß mein geliebter Jake so leicht und glücklich den Tod fand. Oh, ich werde in meine Kajüte gehen und mich niederlegen; das tue ich gern während der Mittagshitze. Aber was ist mit Eve?«
»Wie?«
»Hast du dich um sie gekümmert? Sie ist jung und sie hat vermutlich noch nie gesehen, wie jemand stirbt. Sehr wahrscheinlich braucht sie ein Beruhigungsmittel, und nicht ich.«
»Du hast recht, Joan. Mein Fehler. Olga, könntest du Winnie suchen und ihr sagen, sie soll Eve ein leichtes Beruhigungsmittel geben?«
»Ja, Doktor.« Mrs. Dabrowski machte sich sofort auf den Weg.
»So, junge Dame, und jetzt bringe ich dich in deine Kabine.«
»Einen Moment, Roberto. Kapitän Finchley, bitte setzen Sie die Segel, und sollte nicht genug Wind sein, werfen Sie den Hilfsmotor an. Oder tun Sie beides. Und nehmen Sie Kurs auf die hohe See. Ich möchte, daß wir vor Sonnenuntergang die Fünfzigmeilenzone hinter uns haben und in internationalen Gewässern sind.«
»Ja, Madam. Um den Wind zu nutzen, sollten wir dann auf Nordwestkurs gehen. Ich werde es ausrechnen.«
»Gut. Danach können Sie ohne viel Aufhebens in Umlauf bringen, daß das Begräbnis um Sonnenuntergang stattfinden wird.«
»Joan!«
»Roberto, denkst du, ich würde Jake einem Beerdigungsunternehmer ausliefern? Damit er ihn
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