Das geschenkte Leben
ausstopft und schminkt und zurechtmacht und aufbahrt, um die morbide Neugierde von irgendwelchen Leuten zu befriedigen? Er wollte das nie. Ich werde ihm ein Seemannsbegräbnis geben. Sein lieber Körper soll unangetastet bleiben und heimkehren, bevor die Sonne untergeht.«
»Jedes Ding hat seine Zeit: eine Zeit, geboren zu werden, und eine Zeit, zu sterben. Alle gehen einem Ziel entgegen; alle sind vom Staub, und alle werden wieder zu Staub …«
Die Sonne war eine orangenrote Scheibe, die beinahe den Horizont berührte. Auf einem Brett, dessen unteres Ende auf der Reling ruhte und dessen oberes Ende von Fred und dem Arzt gehalten wurde, wartete Jakes toter Körper, eingenäht in Segeltuch, mit Ballastgewichten an den Füßen. (Ich muß lachen, Johann.) (Jake, wenn es dir nicht gefällt, werde ich aufhören.) (Jock, du solltest respektvoll sein; dies ist ein Begräbnis.) (Es ist mein Begräbnis, nicht? Muß ich zu meinem eigenen Begräbnis ein langes Gesicht machen? Es ist nur die Idee, meiner eigenen Bestattung zuzusehen, die mich lachen macht. Johann, es gefällt mir. Ich respektiere die einfachen Symbole. Ich danke dir, daß du dies tust. Und am meisten danke ich dir, daß du meinen armen Kadaver nicht in die Hände von lizensierten Leichenfledderern fallen läßt.) (Das beruhigt mich, Jake. Aber ich will weiterlesen; ich habe noch ein paar Passagen angestrichen.)
»Zwei sind besser als einer; denn wenn sie fallen, wird einer seinen Gefährten aufheben. Aber beklagenswert ist jener, der allein ist, wenn er fällt; denn er hat keinen Freund, der ihm aufhilft …«
(Joan, das gefällt mir. Es entschädigt mich für das Begräbnis, das ich nie hatte.) (Aber du hast eine Beerdigungsfeier gehabt, Eunice.) (Tatsächlich? Wer war dort?) (Nur ich, Liebes. Ich habe eine kleine Kapelle gemietet und einen Organisten. Dort habe ich dann ein paar deiner Lieblingsgedichte gelesen.) (Jock, ich bin zutiefst gerührt. Boß, er liebt mich wirklich, nicht wahr?) (Wir lieben dich beide.) (Ich wollte, ich wäre dort gewesen, Jock.) (Vielleicht ist es besser, daß du nicht dort warst – so, wie du dich auf Beerdigungen benimmst.) (Schäm dich, du lüsterner alter Geist!) (Paß auf, wen du hier Geist nennst.)
»Was deine Hand zu tun findet, tue es mit all deiner Kraft; denn deiner Tage sind wenige, und sie sind gezählt … der Knoten wird gelöst, der Mensch geht in sein ewiges Heim. Vergessen die Spiele der Jugend, die goldene Schüssel zerbrochen. Aus der Tiefe sind wir gekommen; nun laßt unseren Bruder Jacob in die Tiefe zurückkehren.«
Joan schloß das Buch; Fred und Dr. Garcia hoben das Ende des Brettes; der Körper fiel ins Wasser, verschwand.
Sie wandte sich ab und gab das Buch Mrs. Dabrowski. »Hier, Olga. Ich danke dir.«
»Joan, das war schön. Ich weiß nicht, wie du die Kraft hattest.«
»Wisch deine Augen, Olga; Abschiede müssen nicht traurig sein – und Jake war bereit, zu gehen. Ich kannte meinen Mann gut, Olga; ich wußte, was er wollte, es war nicht schwer.«
Sie drückte Olgas Hand und trat zu Winnie. »Laß das, Kind. Hör sofort auf zu weinen. Jake will nicht, daß du Tränen für ihn vergießt.« (Was bringt dich auf diese Idee, Johann? Ich fühle mich geschmeichelt, daß eine liebliche kleine Person wie Winnie um mich weint.) (Sei nicht so eingebildet, Jake. Du warst der Star der Schau, jetzt hat es genug Verbeugungen gegeben. Unterhalte dich mit Eunice.) Joan nahm ihre Freundin in die Arme. »Du mußt nicht weinen, Winnie. Wirklich nicht. Denk an dein Baby.«
Winnie heulte an ihrer Schulter. »Joan, vermißt du ihn überhaupt nicht?«
»Aber Liebling, wie könnte ich Jake vermissen, wenn er mich nie verlassen hat? Der Juwel ist noch immer in der Lotosblüte und wird es immer sein. Ewiges Jetzt.«
»Ja, vielleicht – aber ich kann es einfach nicht aushalten!«
»Roberto, du solltest etwas für Winnie tun.«
»Das werde ich – aber bist du in Ordnung?«
»Du weißt es. Aber ich habe eine Verschreibung für dich.«
»Sehr gut. Es wird dir nicht schaden, wenn du heute abend ein wirklich sicheres Schlafmittel nimmst. Phenobarb, zum Beispiel.«
»Lieber nicht Phenobarb. Meine Verschreibung ist für Winnie. Bring sie dazu, daß sie etwas ißt. Dann sitz mit ihr für wenigstens eine halbe Stunde Meditation. Und dann bring sie zu Bett und halte sie in deinen Armen und laß sie schlafen. Und du solltest auch schlafen.«
»Einverstanden. Möchtest du zur Meditation zu uns kommen? Oder sollen wir zu
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