Das geschenkte Leben
Mann zu Mann mit Ihnen reden – und es ist mir sogar peinlich, mit einem Mann darüber zu reden. Also gut, erste Frage: Hatte ich in den letzten Tagen die Periode – ich meine, Menstruation?«
Garcia blickte überrascht. »Sie haben es bemerkt? Ja, Sie haben die Periode gerade hinter sich. Wir entfernten einen Tampon, als wir an Ihnen arbeiteten, und es war nicht nötig, ihn zu ersetzen. Hatten Sie Schmerzen?«
»Gar nicht. Aber irgendwie fühlten die Dinge sich nicht richtig an, wenn man so sagen kann … und das brachte mich auf die Idee, daß mit meinem Geschlecht was nicht stimmen könne. Vielleicht waren es die Tampons, denn ich fühlte was Komisches da unten – und jetzt ist das Gefühl nicht mehr da.«
»Möglich. Ich dachte nicht, daß Sie einen Tampon bemerken würden, der angebracht wurde, während Sie unter der Wirkung eines Schlafmittels standen. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung gibt es im Innern einer Vagina beinahe keine Gefühle.«
»So? In meiner schon. Ich wußte bloß nicht, was für ein Gefühl das war.«
»Nun, dieses Problem ist noch nie aufgetreten; Ihr Fall ist einzigartig. War das alles, was Sie bedrückte, Miss – Verzeihung! Johann?«
»Nein. Dieser neue Körper von mir – ist er schon mal von einem Frauenarzt untersucht worden?«
»Selbstverständlich. Doktor Kystra nahm die Untersuchung vor, als Sie noch gelähmt waren. Alles in Ordnung.«
»Kann ich nicht einen ausführlichen, schriftlichen Befund haben? Sehen Sie, Doktor, ich bin jetzt für diesen Körper verantwortlich … und ich weiß so wenig darüber, wie es ist, weiblich zu sein. Fast nichts, eigentlich.«
»Ich kann den Befund aus den Akten heraussuchen, wenn Sie wollen …«
»Ich bitte Sie darum!«
»… aber ich kann es Ihnen in Begriffen erklären, die Sie wahrscheinlich leichter verstehen werden. Soll ich?«
»Tun Sie es. Ich bin für jede Information dankbar.«
»Nun, Sie haben einen normalen weiblichen Körper, physiologisches Alter zirka fünfundzwanzig, was unter dem tatsächlichen Alter liegt, nicht mehr jungfräulich, keine Spuren von operativen Eingriffen, woraus ich schließe, daß Ihr Blinddarm noch an Ort und Stelle ist. Wie Doktor Kystra feststellte, sind die Eierstöcke intakt, weisen jedoch die Merkmale einer unlängst ausgeheilten chronischen Eierstockentzündung auf, wie sie durch unsachgemäße Schwangerschaftsunterbrechungen, aber auch infolge von Erkältungen durch unzureichende Bekleidung entstehen kann. Ferner diagnostizierte er eine leichte Gebärmuttersenkung, die aber keine empfängnisverhütende Wirkung hat …«
»Eh? Das bedeutet, daß ich schwanger werden könnte?«
»Sie könnten nicht nur; Sie werden – wenn Sie nicht achtgeben. Es sei denn, Sie führen ein absolut keusches Leben. Aber selbst wenn Sie das vorhaben, würde ich vorsichtshalber zu empfängnisverhütenden Maßnahmen raten; da gibt es zum Beispiel eine Depotinjektion für sechs Monate, eine sehr elegante Lösung. Da Sie einen negativen Rhesusfaktor haben, könnten ungefähr sechs Siebentel der männlichen Bevölkerung Ihnen ein geschädigtes oder totgeborenes Kind geben. Wir können Schäden durch sofortigen Blutaustausch beim Neugeborenen abwenden, wenn wir es rechtzeitig wissen, aber eine unerwartete oder unwissend hingenommene Schwangerschaft kann tragisch enden. Also lassen Sie eine Schwangerschaft nicht unerwartet über sich kommen. Planen Sie sie. Und verwenden Sie in der Zwischenzeit empfängnisverhütende Mittel.«
»Hören Sie, was macht Sie so verdammt sicher, daß ich schwanger werde? Selbst wenn ich einmal heiraten sollte – was ich bestimmt nicht vorhabe –, zum Teufel, bisher hatte ich kaum einen Tag Zeit, mich an die Idee zu gewöhnen, daß ich weiblich bin! Geschweige denn an die unerträgliche Vorstellung, als Frau sexuell aktiv zu sein!«
»Sobald Sie sich emotional darauf eingestellt haben werden, eine junge Frau zu sein, werden Sie aktiv sein. Dafür werden schon die triebsteuernden Hormone sorgen. Andererseits sind Sie als willensstarke und reife Persönlichkeit möglicherweise imstande, den Trieb zu unterdrücken oder zu sublimieren. Dann werden Sie ein emotionales Äquivalent zu Ihrer Rolle als Frau und Mutter suchen, etwa im Beruf, oder indem Sie in ein Nonnenkloster eintreten. Aber täuschen Sie sich nicht; Ihr neuer Körper hat einen ausgeglichenen weiblichen Hormonhaushalt, und darauf müssen Sie sich einstellen. Selbst eine Tubenligatur wäre keine Antwort; sterilisierte Frauen
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