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Das geschenkte Leben

Das geschenkte Leben

Titel: Das geschenkte Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert A. Heinlein
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zumindest so nahe, daß es praktisch keinen Unterschied macht. Ich habe dir erzählt, ich hätte oft den Eindruck, daß Eunices Geist mich anleitet.«
    »Ja, das hast du. Und ich habe es lieber ignoriert.«
    »Hör mal, ich habe keine Seancen oder etwas in dieser Art abgehalten. Immer, wenn ich mich in einer ungewöhnlichen Situation befinde – was derzeit ziemlich oft passiert – frage ich mich: ›Was würde Eunice jetzt tun?‹ Und dann weiß ich es, Jake. Mehr ist dazu nicht nötig. Ich brauche kein Medium, kein Ektoplasma oder irgendwelche geheimnisvollen Stimmen. Ich verfüge einfach über Erfahrungen, die nicht meine eigenen sind. Und du hast schließlich selbst gesagt, ich würde mich genau wie Eunice verhalten. Deshalb kommt es mir so vor, als würde Eunices Geist mich anleiten. Irgendein Kommentar?«
    »Hmmm … nein. Du benimmst dich wie sie … außer wenn du als Johann sprichst. Aber ich glaube nicht an Geister. Wenn ich wirklich annehmen müßte, ich würde für alle Ewigkeiten Jake Salomon bleiben, würde ich eine Beschwerde beim Hauptbüro einreichen.«
    »Laß mich dir erzählen, was mir im Hauptbüro widerfahren ist.«
    »Was?«
    »Während ich tot war, Jake. Ich war an diesem … Ort. Dort war ein sehr alter Mann mit einem langen weißen Bart. Er hatte ein großes, dickes Buch vor sich liegen. Er schaute mich an, konsultierte sein Buch und blickte mich dann abermals an. Schließlich sagte er: ›Mein Sohn, du bist ein schlechter Junge gewesen. Allerdings nicht zu schlecht, deshalb gebe ich dir noch eine Chance. Gib dein Bestes und mach dir keine Sorgen; du wirst Hilfe bekommen.‹ Was hältst du davon, Jake?« (Was ist das für eine Geschichte, Boß? Ist dir das auch passiert?) (Eunice, wenn es dir passiert ist, dann auch mir. Es macht keinen Unterschied. Und du bist schließlich mein Schutzengel.) (Unfug! Ich bin kein Engel. Ich bin einfach ich.) (Ein sehr irdischer Engel, Liebes – und das ist genau, was ich brauche.) (Ich liebe dich auch, du schmutziger alter Mann.)
    Salomon sagte langsam: »Reiner Anthropomorphismus. Direkt aus der Sonntagsschule.«
    »Oh, sicher. Schließlich waren Symbole nötig, damit ich es überhaupt begreifen konnte. Wenn ich ein Wesen von Proxima Centauri wäre, wäre der alte Mann mit seinem Bart vermutlich ein Ding mit acht Tentakeln und Facettenaugen gewesen. Aber es spricht nichts gegen die Verwendung von Symbolen. Ich habe das Ganze schließlich auch nie als physische Erfahrung betrachtet. Doch diese symbolische Erfahrung war deswegen keineswegs weniger real für mich. Und immerhin habe ich tatsächlich eine zweite Chance erhalten – und ich bekomme wirklich Hilfe, die mir sagt, was ich tun und wie ich mich verhalten soll. Ich behaupte nicht, es wäre tatsächlich Eunice, aber es geht dabei um Dinge, die Johann einfach nicht wissen kann.«
    Salomon seufzte. »Joan, wenn du dich schon in solchen Illusionen verirrst, warum ziehst du dann nicht gleich die Konsequenzen und gehst in ein Kloster?«
    »Weil Eunice das nicht tun würde. Obwohl es ihr durchaus Spaß machen könnte, mal ein Kloster aufzumischen.«
    Jake kicherte. »Ja, das ist wohl wahr.«
    »Vielleicht sollte ich es trotzdem tun – zumal du mich ja nicht zu einer ehrbaren Frau machen willst.«
    »Du Ärmste. Dir bleibt ja auch nichts als Jugend, Schönheit und ein ungeheures Vermögen.«
    »Wenn ich dich hätte, könnte ich auf alles andere verzichten und wäre noch immer reich.« (Ich hatte mich schon gefragt, ob dir das einfallen würde. Schwester, du brauchst meinen Rat gar nicht. Ich könnte beruhigt Urlaub nehmen.) (Wag das ja nicht!) (Keine Sorge, wir hängen zusammen wie siamesische Zwillinge.)
    Eine blecherne Stimme aus dem Cockpit sagte: »Ich setze zur Landung an. Bitte legen Sie die Sicherheitsgurte an.«
    Salomon überprüfte die Gurte und meinte: »Schließ dein Kleid wieder, Eunice.« Joan Eunice zog einen Schmollmund und gehorchte.

 
– KAPITEL –
ZWÖLF
     
    Die Sicherheitsüberprüfung dauerte kaum eine halbe Minute; Salomon war den Wachmannschaften der Enklave bekannt, und der Hubschrauber war ihnen avisiert worden. Vom Landeplatz zu Salomons Haus hatten sie ein kurzes Stück zu gehen, aber wie in allen eingezäunten und bewachten Wohnenklaven der Oberklasse gaben die im Freien beschäftigten Bewohner vor, sie nicht zu sehen. Jake sperrte die Tür auf, und sie waren allein.
    Joan Eunice zog ihren Mantel aus, reichte ihn Jake und sagte: »Darf ich mich ein wenig umsehen? Jake, es

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