Das geschenkte Leben
Herzen, um mehr als einen Menschen glücklich zu machen. Ich weiß, daß sie mich geliebt hat, und sie hat auch dich glücklich gemacht …«
»Das hat sie wirklich!«
»Und ich bin sicher, daß sie das tun konnte, ohne deswegen ihren Ehemann zu vernachlässigen.«
»Dessen bin ich mir nun wieder nicht so sicher. Ich habe schließlich jede frei Minute, die sie hatte, mit Beschlag belegt.«
»Tatsächlich? Woher willst du das so genau wissen? Bist du sicher, daß sie bei dir nicht die gleichen Notlügen benutzt hat wie bei ihm?«
»Worauf willst du eigentlich hinaus, Joan?«
»Ich versuche nur herauszufinden, was du über sie weißt, Jake, damit ich versuchen kann, ihr möglichst ähnlich zu werden. Und alles, was du mir erzählt hast, bestätigt nur, was ich mir selbst schon gedacht hatte: Eunice war eine perfekte Dame mit soviel Liebe im Herzen, daß sie drei Männer gleichzeitig lieben und jedem das geben konnte, was er brauchte, um glücklich zu sein. (Danke sehr, Boß. Muß ich mich jetzt verneigen?) (Sei still, Liebes.) Trotzdem glaube ich, daß Eunice sich nicht für Winnie interessiert hätte.« (Jetzt mach aber mal einen Punkt!) (Ich erzähle ihm doch nur, was er hören möchte, Liebes.)
Joan seufzte. »Jake, so wie die Dinge liegen, würde es mir sehr leicht fallen, lesbisch zu werden. Aber ich werde diesem Drang nicht nachgeben, weil ich nicht glaube, daß Eunice das getan hätte. Doch andererseits ist mein Sexualtrieb außerordentlich stark, und wenn ich nicht bald geheiratet werde, kann ich für nichts garantieren.«
»Joan, ich liebe dich – aber ich werde dich nicht heiraten. Das steht völlig außer Frage.«
»Dann solltest du besser meinen Enkelinnen dabei helfen, mich auszunehmen.«
»Was? Warum?«
»Welche Chance hat denn eine Multimillionärin, einen guten, aufrichtigen Ehemann zu finden? Schau dich doch mal um, was andere in einer ähnlichen Situation abgekriegt haben. Russische Prinzen, Reitlehrer und Gigolos. Und danach steht mir wirklich nicht der Sinn. Wir hingegen würden ein perfektes Paar abgeben.«
»Das glaube ich kaum. Da ist immer noch die Frage des körperlichen Alters. Ein Mann, der in meinem Alter noch heiratet, sucht eigentlich keine Ehefrau, sondern eine Krankenschwester.«
»Blödsinn, Jake! Du weißt ganz genau, wie gut du noch in Form bist. Und notfalls könnten wir auch einen neuen Körper kaufen. Für dich.«
»Nein, Joan. Ich habe ein langes Leben hinter mir, das oft glücklich und immer interessant war. Wenn meine Zeit gekommen ist, werde ich still und leise abtreten. Ich habe nicht vor, mich den Ärzten auszuliefern, sondern sterbe lieber so wie meine Vorfahren.«
Sie seufzte. »Und du nennst mich stur! Aber gut, ich höre auf zu drängen und akzeptiere einfach, was du zu geben bereit bist. Würdest du mich denn ausführen, damit ich passende junge Männer kennenlernen kann?«
»Joan Eunice, es wäre mir eine Ehre, dich zu begleiten … und ich werde dir dabei gleichzeitig die Mitgiftjäger vom Hals halten.«
»Ich verlasse mich darauf. Jake, vorhin habe ich gefragt, ob du an Geister glaubst. Gehörst du irgendeiner Religion an?«
»Nein. Meine Eltern waren orthodox, und meine Bar Mizwah-Rede war so ausgefeilt, daß man mich am liebsten zum Rabbi ausgebildet hätte. Doch all das habe ich hinter mir gelassen, bevor ich aufs College ging.«
»So ähnlich wie bei mir. Meine Großeltern kamen aus Süddeutschland und waren katholisch. Dementsprechend wurde ich zunächst auch getauft. Doch dann zog die Familie in den Mittleren Westen, und mein Vater, der ohnehin nicht sehr religiös war, hielt es für besser – besser fürs Geschäft – wenn wir Baptisten wären. So erhielt ich also die in dieser Gegend übliche, streng religiös ausgerichtete Erziehung.
Ungefähr mit vierzehn habe ich das alles abgeschüttelt und wurde zum Atheisten. Offensichtlich war das eine Gegenreaktion, denn Atheisten sind auf ihre Art ähnlich fanatisch wie die Anhänger irgendeiner Religion. Mit der Zeit wurde ich dann ein gleichmütiger Agnostiker, der die Religion den Schamanen überließ und sich weiter nicht darum kümmerte.«
»So habe ich es auch gehalten.«
»Ja, aber dann ist etwas geschehen, während ich tot war.«
»Was? Du warst nie tot, Joan – Johann, verdammt – du warst lediglich bewußtlos.«
»Ach ja? Ohne Körper, in einem Gehirn, daß keine Verbindung mit der Welt hat, und mir nicht einmal selbst bewußt? Wenn das nicht der Tod war, dann kam es ihm
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