Das geschenkte Leben
oder eine Tasse Kaffee eingeladen, wenn wir auf der Rückfahrt vorbeikommen, aber ich ließ offen, ob Sie darauf eingehen werden oder nicht.«
»Danke, Finchley.«
Sie rollten weiter durch das Farmgelände und kamen zu einem zweiten Tor. Finchley stieg aus, drückte einen Knopf und sprach mit dem Sicherheitsbüro. Das Tor rollte zurück, schloß sich hinter ihnen. Bald darauf hielt der Wagen, und Finchley öffnete den Schlag.
Joan Eunice stieg aus und blickte umher. »Oh, wie hübsch! Ich wußte nicht, daß es solche Orte noch gibt.«
Der Platz war in einer einfachen Weise schön – ein kleiner Flecken unverdorbener Natur, mit einem klaren und anscheinend unverseuchten kleinen Bach, der ruhig zwischen niedrigen Ufern seine Windungen zog. An den Böschungen und in ihrer Nähe wuchsen verschiedene Arten von Bäumen und Sträuchern, und ein weicher Wiesenteppich füllte die freien Flächen aus. Seine rasenähnliche Struktur und die Kuhfladen ließen erkennen, daß es eine Viehweide war. Der Himmel war blau mit verstreut weißen Haufenwolken, und die Sonne schien golden und warm, ohne zu heiß zu sein.
Joan Eunice zog ihre Schuhe aus und warf sie zu ihrem Umhang in den Wagen. Sie grub ihre Zehen ins Gras und tat ein paar leichte Schritte. »Wie köstlich! Seit mehr als zwanzig Jahren habe ich kein Gras mehr unter meinen bloßen Füßen gefühlt! Finchley, Shorty, Fred – wenn ihr Verstand habt, dann zieht eure Schuhe und Socken aus und macht euren Füßen ein Geschenk.«
Shorty und Fred blickten teilnahmslos; Finchley sah nachdenklich aus. Dann grinste er. »Miss Smith, das brauchen Sie mir nicht zweimal zu sagen!« Er setzte sich ins Gras und öffnete die Schnallen seiner Stiefel. Joan Eunice lächelte, wandte sich ab und wanderte zum Bach. Shorty würde sich weniger genieren, wenn sie nicht starrte.
(Eunice, du bist aus Ohio, nicht? Ist es dort auch so schön? Immer noch?) (Manche Gegenden, vielleicht, aber es füllt sich schnell auf. Ich sah es jedesmal, wenn ich meine Leute in Columbus besuchte. Du fährst durch das Land, und wo vor fünf Jahren nur Farmen waren, siehst du eine Siedlung neben der anderen. Lauter Pendler wohnen dort. Viele von ihnen fahren jeden Tag hundertzwanzig Kilometer zur Arbeit und zurück. Und das Land selbst ist fast kahl. Kein Baum, kein Strauch, nur die riesigen Felder. Seit die kleinen Farmer aufgegeben haben, sind die großen Betriebe dabei, alle natürlichen Hindernisse wie Hecken und Bäume abzuräumen, damit ihre Maschinen freie Bahn haben. Rationalisierung nennen sie das.) (Schrecklich, Eunice, dieses Land vermehrt sich zu Tode, und vorher wird noch die Natur der Vermehrung geopfert.) (Für ein frisch geschwängertes Frauenzimmer hast du eine komische Einstellung zur Fortpflanzung, Joan.) (Warum sollte ich frei sein von dieser Schizophrenie, an der wir zugrunde gehen? Jeder denkt nur, daß die anderen sich mehr zurückhalten sollten. Meinst du, daß dieses Wasser warm genug ist, um darin zu schwimmen?)
(Warm genug schon, Joan. Aber wie sollen wir wissen, ob es sauber ist? Wir haben keine Ahnung, was bachaufwärts ist.)
(Eunice, du bist ein Angsthase. Wenn du nicht wettest, kannst du nicht gewinnen.)
(Das war gestern noch wahr … aber heute sind wir eine werdende Mutter. Ein unschuldig murmelndes Bächlein kann mit den ekelhaftesten Dingen verseucht sein.)
(Ach, du übertreibst! Wenn der Bach verseucht wäre, hätten sie Schilder aufgestellt.) (Hier hinten; wo du ihn nur erreichst, wenn du vorher zwei elektrische Tore hinter dich gebracht hast? Frag Finchley; er kennt die Stelle und könnte es wissen.)
(Dann laß uns essen gehen, ich bin hungrig.) (Du? Hungrig? Ich dachte schon, du hättest die Gewohnheit aufgegeben.) (Vielleicht muß ich es bald tun. Also laß uns essen, solange wir können. Wie bald fängt diese morgendliche Übelkeit an?) (Hoffentlich gar nicht, Joan. Als ich das erstemal schwanger war, hatte es nur die Wirkung, daß ich immer hungrig war, morgens, mittags, abends und nachts. Laß uns essen!)
Joan Eunice trottete zurück zum Wagen und blieb verdutzt stehen, als sie sah, daß Shorty den Klapptisch deckte – mit einem Gedeck. »Was ist das?«
»Ihre Mahlzeit, Miss.«
»Ein Picknick? Auf einem Tisch? Wollen Sie die Ameisen verhungern lassen, Shorty? Ein richtiges Picknick wird auf dem Boden verzehrt.«
Shorty machte ein unglückliches Gesicht. »Wenn Sie es sagen, Miss.«
»Breiten Sie die Decke im Gras aus, Shorty, und stellen Sie alles darauf.
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